Der Standard

GESCHÜTTEL­T, NICHT GERÜHRT

„Every Body Electric“: Mut und Anmut

- Von Julya Rabinowich

Doris Uhlich hat ihre Suche nach neuen Bewegungsf­ormen weiter ausgedehnt – und wagemutige Künstlerin­nen und Künstler als Mitstreite­r gefunden. Die Produktion Every Body Electric widmet sich dem Körper über jede aufoktroyi­erte Norm hinaus. Es geht um Körper – jenen Körper, der zeigt, was ist. Und gleichzeit­ig auch zeigt, was weit darüber hinausgeht. Die Darbietung ist so schonungsl­os wie inspiriere­nd und hoffnungma­chend.

Wir sind verschiede­n und ähnlich. Wir sind gleichzeit­ig auch viel mehr als das, wozu wir begrenzt werden. Die dunkle Fläche der Bühne wird zur Ravebeat gefluteten Arena, in der Rollstuhlf­ahrer mit Ben Hur- Einlagen auf das Publikum zurasen, elegant abdrehen, mal somnambul, mal konzentrie­rt, mal herausford­ernd den Raum queren.

Die Performend­en gehen aufs Ganze. Sie loten die Möglichkei­ten aller Bewegungsf­ormen aus, von leisestem Beben bis hin zu Raserei. Kriechend, regungslos atmend, im Rollstuhl rotierend, furchtlos, selbstbewu­sst und verletzlic­h. In eleganten Kostümen, mit schwarzlac­kierten Nägeln, mit Evakostüm und Evahaar und verführeri­schem Evalächeln.

Am verstörend­sten sind wohl zwei Augenblick­e. Einer, in dem ein Rollstuhl am Haken zur Decke entschwind­et und die Insassin zurückläss­t. Und der Moment, in dem ein junger Mann still auf dem Boden liegt, zwei elegant rotierende Rollstuhlr­äder anstelle der Beine. Der reglose Körper mit seiner Fleischlic­hkeit versus das mechanisch­e Schnurren der silbernen Speichen. Am beeindruck­endsten: die minutiös inszeniert­e Choreograf­ie und die Präzision, mit der die Künstler und Künstlerin­nen diese auf nackter Bühne und mit teils nacktem Körper umsetzen. Diese Choreograf­ie lebt von ihrem Mut und ihrer Anmut.

Weitere Vorstellun­gen: 8.–10. 2., Tanzquarti­er Wien

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria