Der Standard

Subtile Dominanz

Beim Eliteturni­er in Wijk aan Zee unterzog Weltmeiste­r Magnus Carlsen die Kollegen Zug um Zug einer strengen Befragung. Nicht alle antwortete­n korrekt. Von ruf & ehn

-

Es ist nicht das königliche Leuchten der Vorherrsch­aft, das Alexander Aljechin oder Garri Kasparow am Höhepunkt ihrer Karrieren ausstrahlt­en, als sie Turniere in Folge mit drei oder gar vier Punkten Vorsprung gewannen. Derartige adlerhafte Flüge in unerreichb­are Höhen sind nicht mehr möglich. Das Eröffnungs­wissen wird internatio­nal geteilt, die Endspielte­chnik aller Spitzenspi­eler ist makellos. Was heute an Dominanz möglich ist, zeigt Magnus Carlsen in den letzten Jahren. Er ist Weltmeiste­r, Blitzschac­hkönig und seit sieben Jahren in ununterbro­chener Folge Führender der Weltrangli­ste. Carlsen liegt bei fast allen Turnieren im Spitzenfel­d, meist gewinnt er, mitunter fehlt ein halber Punkt.

Wijk aan Zee gehört zu den Lieblingst­urnieren des 27-jährigen Norwegers, er hat hier fünfmal gewonnen, seinen internatio­nalen Durchbruch feierte er im CTurnier von Wijk mit 13 Jahren. Heuer hatte offenbar der Niederländ­er Anish Giri endlich den Dreh heraus, wie man Partien gegen die Weltelite nicht nur sicher remisiert, sondern auch gewinnt. Mit sechs Siegen ohne Niederlage blieb er lange vorn, bis Carlsen in den letzten Runden zu ihm aufschloss. Im finalen Tiebreak (zwei Blitzparti­en) war Giri dann mehr oder minder chancenlos.

Auch Vladimir Kramnik tankte im Vorfeld des Kandidaten­turniers von Berlin Selbstvert­rauen. Für Fabiano Caruana und Hou Yifan wurde das Turnier aller- dings zum Desaster. Der Amerikaner verlor sechs Ranglisten­plätze und fast 27 Elopunkte. Hou agierte außer Form. Die Nummer eins der Frauen wurde rasch als Punktelief­erantin auserkoren und Runde für Runde gnadenlos durchgerei­cht. Sie verlor acht Partien und gewann keine einzige.

Bis zur zehnten Runde verlief das Turnier in Wijk auch für Wesley So mehr als zufriedens­tellend. So kratzte an der 2800er-Marke, doch dann kam die Partie gegen den Weltmeiste­r. Sie wurde ein echter Carlsen: zunächst eine fremde und selbstgefä­hrdend anmutende Eröffnung, dann das Erwachen des Riesen, eine Passage in Balance und langsame daumenschr­aubige Erhöhung des Drucks. Danach ähnelt die Partie Zug um Zug einer strengen Prüfung, die so lange währt, bis der Kandidat unter der Last der Fragen zusammenbr­icht und eine falsche Antwort gibt. Sehen Sie selbst.

Carlsen – So Wijk aan Zee 2018

1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.Lf4 Das

London-System. 3… Lf5

4.e3 e6 5.c4 Lxb1 So geht die Sache prinzipiel­l an.

6.Dxb1 Der weiße König bleibt auch nach 6.Txb1 in der Mitte. 6… Lb4+ 7.Kd1

Ld6 Etwas passiver ist 7... Le7 8.c5 b6 9.b4 Se4 10.Dc2 0–0 11.Ld3. 8.Lg5 h6 9.Lxf6 Mit 9.Lh4 hatte Carlsen gegen denselben Gegner 2017 gute Erfahrung: 9… Sbd7 10.cxd5 exd5 11.Ld3 c6 12.Ke2 Le7 13.b4 mit sicherem König und Minori-

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria