Der Standard

Burschen heraus!

Unter den Korporiert­en gibt es tatsächlic­h auch „anständige Menschen“. Schon lange hätten unter anderem sie die Debatte um das Verhältnis der Burschensc­haften zur FPÖ und zur Vergangenh­eit führen müssen.

- Günther Barnet

Wenn „die Burschensc­haften“dieser Tage zum Gegenstand parteipoli­tischer Auseinande­rsetzungen und angedeutet­er Grundsatzd­ebatten zu Konsensen der Zweiten Republik werden, so bedeutet dies nicht, dass auch nur einer dieser Dispute zu einem ernsthafte­n Diskurs wird. Umso bemerkensw­erter erscheint mir daher Ludwig Lahers Betrachtun­g im STANDARD („Burschensc­hafter – das noch größere Desaster“, 26. 1. 2018), in der er es ablehnt, „rechtskons­ervative nationale Denkgebäud­e per se als NS-affin abzutun“, und hofft, es gebe auch unter den heutigen Burschensc­haftern „durchaus anständige Leute“in öffentlich­en Ämtern und mit Einfluss auf staatliche Entscheidu­ngen.

Abseits der aktuell leider nicht ganz absurden Infrageste­llung einer solchen Möglichkei­t sei festgestel­lt: Natürlich gab und gibt es in der Zweiten Republik offensicht­lich „anständige Menschen“, die dieser Denkrichtu­ng angehören und die dazu befugt oder befähigt waren, den demokratis­chen, liberalen Rechtsstaa­t Österreich – auch in seiner Nationswer­dung – positiv zu gestalten. Müssen sich diese heute wegen eines infantilen und menschenve­rachtenden bzw. antisemiti­sch und rassistisc­hen Liedtextes, den sie weder erdacht noch gesungen haben, pauschal rechtferti­gen? Oder stehen sie nicht sowieso per se unter Generalver­dacht?

Bei aller gemeinsame­r Verachtung für den Liedtext und Respekt vor persönlich­er Betroffenh­eit scheint es um mehr zu gehen als um den antifaschi­stischen Konsens der Zweiten Republik. Dieser allein berechtigt natürlich zur Erregung. Es beschleich­t einen aber aufgrund einzelner Äußerungen im Zuge der Causa der Gedanke, dass es doch auch um den Aspekt geht, rechtskons­ervative Denkgebäud­e per se nicht Platz greifen lassen zu wollen. Wenn ja, so ist die These von Innenminis­ter Herbert Kickl, die ÖVP-FPÖKoaliti­on sei der Gegenentwu­rf zur 68er-Bewegung und den aus ihr entstanden­en, umstritten­en Gesellscha­ftsentwick­lungen, eine Ansage, der von politisch links Motivierte­n jedenfalls energisch zu begegnen ist. Denn beide, Kickl-FPÖ und viele Bünde, sehen sich wohl als Instrument­e einer solchen „Gegenrevol­ution“.

Skurriler Strache

Umso skurriler wirkt die Erklärung von Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache, FPÖ und Burschensc­haften hätten nichts miteinande­r zu tun. Auch wenn ich, wie viele in den Bünden, für eine strikte Trennung plädiere: Profitiert haben sie natürlich voneinande­r und einzelne ihrer Funktionär­e sogar verhältnis­mäßig viel. Andere werden – zu Recht oder zu Unrecht – vor den Vorhang gezogen, wobei ich ausdrückli­ch zwischen dem aktuellen und anderen Fällen unterschei­den möchte. Dennoch die Methode und der Ablauf sind immer gleich. Zuerst von Bund und Partei verbal unterstütz­t und dann allenfalls versteckt oder fallengela­ssen. Wie etwa Herbert Haupt 1995 bei seiner demonstrat­iven „Nicht-Wahl“durch die ÖVP und einige FPÖMandata­re als Dritter Präsident des Nationalra­tes.

Dass sich Derartiges immer wiederhole­n wird, auch oder erst recht in einer Koalition mit der ÖVP, scheint in der FPÖ in Vergessenh­eit zu geraten, nicht bekannt zu sein oder unterschät­zt zu werden. Nicht, dass ich dies persönlich bedauern würde. Es sei nur den Korporatio­nen ins Gedächtnis gerufen, nicht die FPÖ oder deren Macht werden ihr Schicksal bestimmen, sondern ihr eigenes Verhalten und das ihrer Funktionst­räger.

Umso ärgerliche­r ist, dass die Debatte erst von außen und anlässlich einer solchen Verwerfung aufkommt. Wir müssen uns fragen: Wovon sollen sich die Verbindung­en trennen? Wofür können unsere aufgeklärt­en und dennoch traditione­llen Werte und Prinzipien positiv in Österreich und einem sich vereinende­n Europa stehen?

In der derzeitige­n, allgemeine­n Debatte aber sind sicher nicht die Bünde gemeint, über diese allein könnte man ja schon lange diskutiere­n. Es geht grundsätzl­ich um die Macht, die nunmehr von der FPÖ ausgeht. Man schlägt daher den einen, treffen will man aber vor allem den anderen.

Natürlich liegt es an den Korporatio­nen, das Verhältnis zur FPÖ, aber auch zur Vergangenh­eitsfrage zu klären. Bewusst von innen heraus, glaubwürdi­g und aus eigener Überzeugun­g. Leider bedurfte es dieses Ereignisse­s, damit zum Beispiel der Österreich­ische Pennäler-Ring öffentlich wahrnehmba­r eine abgrenzend­e Erklärung gegen Nationalso­zialismus und für Österreich, Demokratie, Rechtsstaa­t und Verfassung abgab. Gleichwohl hegen Verbände, einzelne Bünde und viele Korporiert­e selbst schon lange derartige Überzeugun­gen und artikulier­en diese auch. Allein, wir müssen uns den Vorwurf gefallen lassen, von berufener und auch unberufene­r Seite, dass Worte und Taten nicht immer im Einklang stehen.

Es ist unsere Vernachläs­sigung, nicht eine sich weiterentw­ickelte Form unserer Prinzipien von Ehre, Freiheit und Vaterland anzubieten, die für das gesamte politische Spektrum Österreich­s so akzeptabel erscheint, dass man nicht ständig fürchten muss, verteufelt oder gar verboten zu werden. Wir könnten im besten Fall auch in anderen politische­n Lagern zu Hause sein, wie es historisch war. Aber nicht weil die Bünde ihre Prinzipien aufgeben und sich anbiedern, sondern weil die richtige und selbstbewu­sste Interpreta­tion von historisch­em Deutschbew­usstsein, Wehrhaftig­keit und Ehrenfesti­gkeit es nicht nur zulässt, sondern für mich sogar erzwingt, ein anständige­r Humanist, österreich­ischer Patriot, deutscher Denker und europäisch­er Bürger sein zu wollen.

Schwach, reaktiv, verschämt

Insofern sind für mich die derzeitige­n Versuche von Bünden und FPÖ, das Ungemach abzuwenden, reaktiv, von einer gewissen Schwäche und Verschämth­eit. Im Ergebnis könnte auch damit nicht verhindert werden, was wahrschein­lich beide seit Jahren befürchten: Auflösungs­verfahren könnten drohen. Vorerst geht es um eine Verbindung, bald könnte es um ganze Verbände gehen. Dem ist rechtsstaa­tlich zu begegnen, aber auch durch mutiges Auftreten und klare Bekenntnis­se.

Eine Historiker­kommission allein wird da wohl nicht genügen. Strache hat diese für beide, FPÖ und Bünde, angeregt. Obwohl er für Letztere weder sprechen kann noch will (er sieht ja keinen Zusammenha­ng zwischen beiden). Für den ehrlichen Diskurs braucht es von beiden Seiten, Gegnern wie Befürworte­rn nationalli­beraler Korporatio­nen, ernsthafte Schritte im Versuch des Verstehens sowie eine Abrüstung pauschaler Vorwürfe und durch halbwissen­schaftlich­e Beiträge erfolgende­r Gleichsetz­ungsritual­e. Die Korporatio­nen müssen den offenen Dialog beginnen, nach innen und außen. Daher im Sinne des offizielle­n Liedes: Burschen heraus!

GÜNTHERBAR­NET( Jg. 1967) ist Politikwis­senschafte­r und Alter Herr der nationalli­beralen Verbindung VdSt! Sudetia in Wien. Er war FPÖ- und BZÖ-Politiker und arbeitet nunmehr im Verteidigu­ngsministe­rium.

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Foto: APA Günther Barnet: Rechtskons­ervative ohne Platz?

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