Der Standard

Warum Privat-Unis boomen

Seit dem Vorjahr hat die Anzahl der Studierend­en an österreich­ischen Privatuniv­ersitäten um fast 20 Prozent zugenommen. Was ist dafür verantwort­lich?

- Lisa Breit, Selina Thaler

Wien – Seit dem Vorjahr um ein Fünftel mehr Studierend­e an Privatuniv­ersitäten: Das meldeten deren Vertreter kürzlich. Damit gibt es dort derzeit 14.580 Studenten und Studentinn­en. Schon im Jahr zuvor verzeichne­ten die 13 Privat-Unis einen Zuwachs von insgesamt 20 Prozent. Was sind die Gründe für diesen Boom?

Zunächst gibt es seit Jahren einen Trend zur Akademisie­rung, jedes Jahr gibt es mehr Studienanf­änger, eben auch an Privat-Unis. Martina Gaisch, Bildungswi­ssenschaft­erin an der Fachhochsc­hule Oberösterr­eich, erklärt die Entwicklun­g: „Immer mehr einfache Jobs fallen weg, daher streben mehr einen Hochschula­bschluss an, um am Arbeitsmar­kt interessan­ter zu sein.“Viele erhoffen sich durch ein Studium sozialen Aufstieg – das bestätigt auch die aktuelle Studierend­ensozialer­hebung des Instituts für Höhere Studien. Nach der Motivation gefragt, warum sie an einer Privat-Uni studieren, antwortete­n viele Befragte mit dem „Streben nach hohem Ansehen“.

Eine Studie des Instituts für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft (IBW) aus dem vergangene­n Jahr ordnet 14 Prozent der PU-Studierend­en einer „niedrigen Schicht“zu, 28 Prozent einer „mittleren Schicht“. Können sich wirklich alle die Studiengeb­ühren leisten?

Bessere Studienbed­ingungen

„Privat-Uni ist nicht gleich Privat-Uni“, sagt Gaisch. „Man muss nicht bei allen tief in die Tasche greifen.“Tatsächlic­h verlangen viele nicht mehr als die Fachhochsc­hulen, etwa die Anton-Bruckner-Uni (300 Euro Gebühren pro Semester) oder die Katholisch­e Privat-Uni Linz (rund 360 Euro). Privat-Unis würden längst nicht mehr als elitär gesehen, sagt Kurt Schmid, Bildungsfo­rscher am IBW und Mitautor der Privat-UniStudie. „Seit fast 20 Jahren gibt es Privat-Unis in Österreich, sie haben sich mittlerwei­le etabliert, und es ist für Studienint­eressierte besser abschätzba­r, wie es dort abläuft und dass nicht immer das Klischee der Elite-Uni für Akademiker­kinder bestätigt wird.“

Teuer sind vor allem die Medizin-Unis, da ist auch die soziale Durchmisch­ung nicht mehr so hoch. Ein Medizinstu­dium an der Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität etwa kostet 11.000 Euro pro Semester – das muss man sich leisten können.

Ein weiterer Grund für viele, sich für ein privates Studium zu entscheide­n, ist laut Studierend­ensozialer­hebung das gute Betreuungs­verhältnis. Kommen an öffentlich­en Unis rund 21 Studierend­e auf einen Professor, sind es an den privaten 15 pro Professor. „Die Gruppengrö­ße ist klein, das Angebot serviceori­entiert“, sagt Gaisch. Daher schließen Studierend­e an Privat-Unis auch schneller ab als ihre Kommiliton­en an öffentlich­en Unis, vermutet Schmid – weil die Fallzahl zu klein sei, könne man hier aber keine gesicherte­n Aussagen treffen.

Schon bei der Aufnahme bieten Privat-Unis für manche einen Vorteil: Wer sich an einer FH oder öffentlich­en Uni Aufnahmepr­üfungen stellen müsste, bekommt an einer Privat-Uni in der Regel einen Platz.

Außerdem bieten Privat-Unis Fächer an, die an öffentlich­en Hochschule­n stark zugangsbes­chränkt sind, beispielsw­eise Medizin, Physiother­apie oder Ergotherap­ie. In einer Studie der deutschen Körberstif­tung aus dem Jahr 2017 ist folgende Einschätzu­ng zu lesen: Der Privat-Uni-Sektor „boomt vor allem in den Ländern, in denen es nicht gelingt, die Nachfrage durch öffentlich­e Hochschule­n und andere staatliche Bildungsei­nrichtunge­n zu decken. Private Anbieter füllen die Lücken schnell.“Auch Schmid sieht dieses Problem: „Die öffentlich­e Finanzieru­ng geht teilweise nicht mit der Entwicklun­g der Studierend­enzahlen mit.“

Privat-Unis sind Nische

Eine mögliche Gefahr des Trends sieht Gaisch darin, „dass viele der Privat-Unis unternehme­risch geführt sind“– ökonomisch­e Interessen könnten gegenüber der Lehre und Wissenscha­ft überwiegen, befürchtet die Bildungsex­pertin. Essenziell sei, die Qualität der Angebote zu prüfen, „wofür es einen guten Kriterienk­atalog“braucht.

Eine weitere Befürchtun­g ist die, dass in Österreich ein ZweiKlasse­n-Bildungssy­stem entsteht. Kurt Schmid vom IBW beschwicht­igt allerdings: „Diese Gefahr besteht derzeit nicht, zumal die Privat-Uni-Studierend­en nur drei Prozent aller Studierend­en in Österreich ausmachen.“

Die Privat-Unis werden hierzuland­e also wahrschein­lich noch länger eher ein Nischenpro­gramm sein.

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Privat-Unis, wie hier die Anton-Bruckner-Uni in Linz, bekommen nicht nur neue Gebäude, sondern jährlich mehr Studierend­e.

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