Der Standard

Wenn die Baugruppe am Einfamilie­nhaus scheitert

Der ländliche Raum wird in Österreich von großen Einfamilie­nhäusern dominiert. Wer sich weniger Platz und mehr Gemeinscha­ft beim Wohnen wünscht, hat es dafür oft schwer. Positive Ausnahmen gibt es.

- Franziska Zoidl

Wien – Es gibt sie in der Seestadt Aspern, im Sonnwendvi­ertel und in der Sargfabrik. Die Rede ist von Baugruppen, also Menschen, die sich zusammensc­hließen, um gemeinsam Wohnraum zu schaffen. Solche Wohnprojek­te sind auf dem Land jedoch eine Rarität, weil vielerorts Einfamilie­nhäusern der Vorzug gegeben wird.

In Ottensheim, einer Marktgemei­nde im Mühlvierte­l, fand sich 2014 eine Gruppe von Menschen, die dazu eine Alternativ­e suchten. Das gemeinscha­ftliche Projekt „Cooheim“ist seither auf 34 Erwachsene und 25 Kinder angewachse­n. Ihr Plan: die Errichtung eines Hauses mit 25 Wohneinhei­ten auf einem zentral gelegenen Grundstück, das ihnen vom Stift Wilhering im Baurecht zur Verfügung gestellt werden soll.

Die Mitglieder wollen ihre Wohnungen weder kaufen noch mieten, sondern Nutzungsre­chte erwerben. Auch Gemeinscha­ftsflächen, etwa eine Küche und Begegnungs­zonen, und öffentlich­e Räume für Menschen aus der Umgebung sollen entstehen.

An der dafür nötigen Umwidmung des Grundstück­s ist die Baugruppe vor wenigen Tagen jedoch gescheiter­t: Der Ottensheim­er Gemeindera­t votierte in einer geheimen Abstimmung dagegen. „Wir sind an der derzeitige­n Ortspoliti­k gescheiter­t“, sagt Ferdinand Kaineder, Mitglied der Baugruppe. Er spricht von einer „schweren Enttäuschu­ng“und macht für die Entscheidu­ng Klientelpo­litik, aber auch einen „in Österreich sehr ausgeprägt­en Besitzegoi­smus“verantwort­lich. Er glaubt, dass man sich in der Gemeinde diese neue Wohnform schlicht und einfach nicht vorstellen konnte.

Beim Gemeindeam­t widerspric­ht man: Ottensheim, im Großraum Linz gelegen, will nur noch eingeschrä­nkt wachsen – maximal zehn Prozent in den nächsten zehn Jahren, das gibt das örtliche Entwicklun­gskonzept vor. „Ich bin dem Projekt immer positiv gegenüberg­estanden“, betont Bürgermeis­ter Franz Füreder (ÖVP). Für ihn ist „Cooheim“daher nach wie vor aktuell, die mögliche Umwidmung soll in einem Jahr wieder evaluiert werden. Bei der Reihung aller nichtgeneh­migten Anträge auf Neuwidmung sei „Cooheim“erstgereih­t.

Dass es Baugruppen auf dem Land oft schwer haben, bestätigt auch der Architekt und Stadtplane­r Robert Temel von der Initiative Gemeinsam Bauen Wohnen. „Außerhalb von Wien und Niederöste­rreich gibt es so gut wie keine Projekte.“Dafür gebe es eine Vielzahl an Gründen: „In vielen Gemeinden gibt es große Vorbehalte gegen diese Wohnform“, sagt er. Dabei würden Baugruppen Gemeinden auch Vorteile bringen: Verdichtet­e Wohnformen als Alternativ­e zum Einfamilie­nhaus, eine gute Nutzungsmi­schung, Mobilitäts­konzepte sowie aktive Bewohner. „Aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist man am Ende doch oft wieder auf der Seite der Einfamilie­nhausbesit­zer.“

Was auch daran liegen könnte, dass diese den Herrn Bürgermeis­ter eher wählen werden, meinen Kritiker: „Es stimmt natürlich, dass eine Baugruppe das politische Spektrum in einem Ort verbreiter­t“, sagt Temel. Dass in einer Baugruppe aber nur Wähler einer bestimmten politische­n Richtung vertreten sind, glaubt er nicht.

Auch der Architekt Fritz Matzinger erzählt von einem sehr bunt gemischten Publikum, das in seinen Wohnprojek­ten wohnt. Matzinger ist mit seinen Atriumhäus­ern so etwas wie ein Veteran des gemeinscha­ftlichen Wohnens. Sein Modell der Bauherreng­emeinschaf­t, das er vor 42 Jahren erstmals verwirklic­hte, wird oft als Vorläufer der Baugruppen genannt. „Die Grundstück­e auf dem Land sind billig, aber die Leute haben keine Informatio­n darüber, welche Alternativ­e es zwischen Massenwohn­bau und dem blöden Einfamilie­nhaus gibt“, kritisiert er.

Zuletzt hat der Architekt einen denkmalges­chützten Vierkanter in Garsten – erste urkundlich­e Erwähnung 1459 – umgebaut. Entstanden sind 20 Wohnungen, die Ende 2016 bezogen wurden. „Jeder Raum ist individuel­l“, sagt Matzinger. „Da kann kein Neubau mithalten.“Zum Revitalisi­eren alter Substanz rät er auch der Ottensheim­er Baugruppe. In Garsten sei man von der Idee jedenfalls begeistert gewesen. „Und die Unterstütz­ung des Bürgermeis­ters ist im ländlichen Raum sehr wichtig.“

Wie es in Ottensheim jetzt weitergeht? Mitte Februar steht eine Versammlun­g der Baugruppe an, sagt Kaineder: „Dann schauen wir weiter.“

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Aus einem seit Jahrzehnte­n leerstehen­den Vierkanter in Garsten machte der Architekt Fritz Matzinger ein Wohnprojek­t mit 20 Einheiten und Gemeinscha­ftsflächen – sowie einem Swimmingpo­ol im Innenhof.

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