Der Standard

Ein bisschen Wohnung, ein bisschen Hotel

In Wien gibt es so viele serviciert­e Apartments wie nie zuvor. Die eingericht­eten Wohnungen, die über mehrere Monate gemietet werden können, richten sich an Firmen – und sie sind in den letzten Jahren stark geschrumpf­t.

- Franziska Zoidl

Wien – Wer berufsbedi­ngt mehrere Wochen in einer anderen Stadt verbringt, in seiner Wohnung einen Wasserrohr­bruch hat oder gerade eine unschöne Trennung durchlebt, hat in Wien die Qual der Wahl: Es gibt mehr sogenannte serviciert­e Wohnungen denn je.

Diese werden meist zwischen einer Woche und mehreren Monaten vermietet. Sie sind vollmöblie­rt, mit einer kleinen Küche ausgestatt­et und bieten Annehmlich­keiten, wie man sie sonst nur aus Hotels kennt: Die Wohnung wird gereinigt, die Handtücher werden ausgetausc­ht. Nur die Zahnbürste muss man noch mitnehmen.

Die Wohnform rückt in Wien immer öfter in das Interesse von profession­ellen Anbietern. „Der Begriff der Serviced Apartments hat sich in den letzten Jahren geändert“, beobachtet der Hotelmarkt­experte Martin Schaffer von MRP Hotels: „Man geht damit immer mehr in Richtung MikroApart­ments.“Während früher noch 40 Quadratmet­er große Zweizimmer­wohnungen vermietet wurden, sind die Einheiten heute oft weitaus kleiner als 30 Quadratmet­er. Serviciert­es Wohnen kommt auch bei Investoren zunehmend an, meint Schaffer: Denn die Häuser verfügen über langjährig­e Pachtvertr­äge, jedoch mit weniger operativem Aufwand als bei Hotels.

In der Nähe des Wiener Hauptbahnh­ofs hat beispielsw­eise erst vor wenigen Tagen das „Smartments Business“der deutschen GBI AG nach mehrmonati­gem Probebetri­eb offiziell eröffnet. Das Projekt wurde schon in der Bauphase an eine Immobilien­tochter der Württember­gischen Versicheru­ng verkauft.

Der Eingangsbe­reich beim Projekt der GBI AG hinter dem Hauptbahnh­of erinnert beim StandardLo­kalaugensc­hein an eine etwas steril geratene Hotellobby. „Da werden wir vielleicht noch ein bisschen Musikunter­haltung reinbringe­n“, kündigt der Operations Manager des Hauses, Nicola Hamel, bei der Hausführun­g an. Bei 20 Prozent liege die Auslastung, an den Dezemberwo­chenenden sei das Haus aber auch von Wochenendt­ouristen gut besucht worden.

Ein Bewohner, der gerade in der Lobby unterwegs ist, lebt seit Jah- reswechsel hier – und hat einen für die doch hochpreisi­ge Wohnform ungewöhnli­chen Hintergrun­d: Er lebte bis vor kurzem in einem Obdachlose­nheim. Bei der Suche nach einem Hotelzimme­r wurde er auf das Projekt hinter dem Hauptbahnh­of im zehnten Bezirk aufmerksam und konnte sofort einziehen. Er will jetzt drei Monate hier leben – um 1200 Euro pro Monat. In vielen Mietwohnun­gen gibt es das weitaus günstiger. „Aber Provision und Kaution kann ich mir nicht leisten“, erklärt er.

Ein anderer Gast, ein deutscher IT-Techniker, wohnt seit Anfang Dezember im Haus. Seine Schwester hatte in Wien einen Unfall und liegt im Krankenhau­s. Er brauchte möglichst schnell eine Bleibe in Wien.

Firmen als Mieter

Die bisherigen Gäste seien „querbeet“, betont Manager Hamel. Man ziele mit dem Angebot auf Firmen ab, die ihre Mitarbeite­r zeitweise in Wien unterbring­en wollen, aber auch auf Wohnungssu­chende und Theatersch­auspieler, die nur kurz in der Stadt sind. Auch Sportverei­ne seien eine interessan­te Zielgruppe.

Die beiden Gäste sind so weit zufrieden. Ein paar Kritikpunk­te an ihrer Bleibe fallen ihnen dennoch ein: Die Espressoma­schine, die in jedem Zimmer steht, brauchen sie nicht. Lieber wäre ihnen ein Wasserkoch­er. Dem einen ist es zu kalt in seiner Wohnung, der andere empfindet es als warm. Und die Entwicklun­g des Sonnwendvi­ertels hinter dem Hauptbahnh­of beobachten beide kritisch: „Das wirkt sehr kalt“, sagt der deutsche Gast. Und in der kleinen Küchenzeil­e der Standard-23-Quadratmet­er-Wohnungen sind gastronomi­sche Höhenflüge schwierig: „Ich glaube, wenn man hier ein Schnitzel bäckt, dann muss man neu ausmalen“, sagt einer der Gäste.

Auf Kleinwohnu­ngen mit Rundumserv­ice setzen auch andere Anbieter: Die IG Immobilien betreibt aktuell 62 serviciert­e Wohnungen in Wien, ab März kommen acht weitere „City Apartments“mit Größen zwischen 24 und 55 Quadratmet­ern an vier Standorten dazu. Der Anbieter Room4Rent, ein Unternehme­n des Österreich­ischen Siedlungsw­erks, vermietet derzeit 350 Apartments an drei Standorten. Etwa 200 weitere Einheiten befinden sich bereits in Bau bzw. in Planung. Das günstigste Zimmer kommt auf 800 Euro Pauschalmi­ete im Monat.

Helga Mayer, Geschäftsf­ührerin der ÖSW-Tochter Immo 360 Grad, bemerkt die zunehmend wachsende Konkurrenz. Während es im oberen Preissegme­nt schon lange entspreche­nde Angebote gegeben habe, liege der Fokus nun im mittleren Segment: „Aber irgendwann wird der Deckel erreicht sein.“

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Besonders im mittleren Preissegme­nt ist in den letzten Jahren das Angebot an vollmöblie­rten Wohnungen zur Kurzzeitmi­ete gestiegen.
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Visualisie­rung: Strabag Real Estate / OLN Drei Baukörper mit 103 Wohnungen errichtet die Strabag.

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