Der Standard

Kurz will EU-Milliarden für Osteuropal­änder reduzieren

Kanzlerint­erview: „Starke Meinungsve­rschiedenh­eit mit Orbán“

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Wien – Die EU-Mitgliedst­aaten aus Mittel- und Osteuropa müssen ab dem Jahr 2020 mit deutlichen Kürzungen bei den Agrar- und Regionalfö­rderungen durch die Union rechnen. Es sei das Ziel einer „Gruppe von Reformern“, bei den Verhandlun­gen über den langfristi­gen EU-Budgetrahm­en unter österreich­ischem Vorsitz ab Mitte des Jahres dafür zu sorgen, dass effiziente­r und „sparsamer mit dem Geld der europäisch­en Steuerzahl­er umgegangen wird“.

Besonders betroffen davon wären Polen und Ungarn, die mit rund dreizehn bzw. fünf Milliarden Euro pro Jahr zu den größten Nettoempfä­ngerländer­n gehören. Das kündigt Bundeskanz­ler Sebastian Kurz im Interview mit dem STANDARD an, bei dem er erstmals die großen Linien zur nahenden EU-Präsidents­chaft seiner Regierung umreißt. Er nimmt dabei auch ausführlic­h Stellung zur Naziliedaf­färe beim Koalitions­partner FPÖ und zum Imageschad­en für Österreich, der durch antisemiti­sche Vorfälle entsteht.

Der Kanzler bestätigt, dass es wegen der geplanten Kürzungen von EU-Mitteln „starke Meinungsve­rschiedenh­eiten mit Viktor Orbán“, dem ungarische­n Ministerpr­äsidenten, bei dessen Besuch in Wien gegeben habe. Den Eindruck, dass er Orbán persönlich und politisch besonders nahestehe und er ihn als ersten Staatsgast in Wien empfangen habe, weist er zurück: „Es ist einfach eine Falschinfo­rmation, parteipoli­tisch motiviert“, erklärt Kurz.

Er sehe sich inhaltlich vielmehr dem niederländ­ischen Premier Mark Rutte, einem Liberalen, verwandt, sagte der Kanzler, mit diesem verbinde ihn „sehr, sehr, sehr vieles“. Neben Rutte sei auch Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron einer von jenen Politikern, die Europa stärken und reformiere­n wollten, aus seiner Sicht ein „enger Partner“.

Von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erwartet Kurz eine umfangreic­he Aufarbeitu­ng der Parteigesc­hichte und des Umgangs mit dem Nationalso­zialismus. Unabhängig­e Experten sollten zum Einsatz kommen. Was Antisemiti­smus in Österreich betrifft, dürfe es keine Toleranz geben, betont der Kanzler. Wenn Politiker sich etwas zuschulden kommen ließen, müsse es über das Strafgeset­z hinaus „auch politische Konsequenz­en geben“. Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach sich am Sonntag ebenfalls dafür aus, dass die von der FPÖ angedachte Historiker­kommission mit „unumstritt­enen“Experten besetzt werde. (red)

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