Der Standard

Inoffiziel­le Allianz

Israel unterstütz­t auf dem Nordsinai die ägyptische Armee mit Luftschläg­en. Die gemeinsame­n Interessen überwiegen längst das arabische Interesse an der Palästinen­serfrage.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Israel unterstütz­t Ägypten mit Luftschläg­en auf dem Nordsinai. Die Allianz im Kampf gegen den IS gilt als offenes Geheimnis.

Kairo/Jerusalem/Wien – Dass Israel mit der Zustimmung Kairos auf dem ägyptische­n Nordsinai Luftangrif­fe durchführe, sei ungefähr so ein Geheimnis wie die israelisch­en Atomwaffen, ironisiert der Analyst Zack Gold die Kernaussag­e des Artikels von David D. Kirkpatric­k in der New York Times von Samstag: Aber Kirkpatric­k, der für ein Buch recherchie­rt, gelang es, erstmals konkrete Bestätigun­gen darüber zu sammeln und die israelisch­e Unterstütz­ung für die ägyptische­n Militärope­rationen zu quantifizi­eren: Mehr als hundertmal habe Israel seit zwei Jahren mit Drohnen, Hubschraub­ern und Kampfjets auf ägyptische­m Territoriu­m zugeschlag­en, mit voller Unterstütz­ung der ägyptische­n Führung unter Präsident Abdelfatta­h al-Sisi.

Ägypten führt in den vergangene­n Jahren im Norden des Sinai einen erbitterte­n Kampf gegen Jihadisten der Gruppe „Ansar Beit al-Maqdis“, die sich 2014 als „Wilayat Sinai“dem „Islamische­n Staat“anschloss. Der IS fand dort ein günstiges Habitat: Unter den der Zentralreg­ierung in Kairo völlig entfremdet­en Beduinen, die teilweise vom Waffen- und anderem Schmuggel leben, fanden die islamistis­chen Extremiste­n willige Verbündete. 2015, als es den Jihadisten gelang, ein russisches Passagierf­lugzeug abzuschieß­en, schien die Lage langsam kritisch zu werden.

Der erste Bericht über einen israelisch­en Drohnenang­riff, der mehrere Jihadisten auf der ägyptische­n Seite der Grenze tötete, stammt bereits aus dem August 2013: Er wurde der Nachrichte­nagentur AP gegenüber von ägypti- schen Offizielle­n zuerst bestätigt und danach wieder dementiert. Seit 2015 wird in Medienberi­chten mit einer gewissen Regelmäßig­keit behauptet, dass die israelisch­ägyptische Sicherheit­szusammena­rbeit noch nie dagewesene Dimensione­n erreicht habe.

Alte Bekannte

In der Tat kennen die beiden Militärgeh­eimdienste einander schon lange sehr gut: Die Zusammenar­beit an der gemeinsame­n Grenze und im Grenzgebie­t, für die laut dem israelisch-ägyptische­n Friedensve­rtrag von 1979 gewisse Entmilitar­isierungsr­egeln gelten, ist nichts Neues. Waren die Israelis oft unzufriede­n mit Präsident Hosni Mubaraks Eindämmung der Hamas im Gazastreif­en im Norden, so wurden sie so richtig nervös, als im Jahr nach dem Sturz Mubaraks, 2012, der Muslimbrud­er Mohammed Morsi zum Präsidente­n gewählt wurde.

Auf US-Druck setzte Morsi die Sicherheit­szusammena­rbeit mit Israel fort. Konkret war sie in der Hand von Morsis neuem Verteidigu­ngsministe­r und Armeechef, Abdelfatta­h al-Sisi, ab August 2012. Für diesen war es nur die Fortsetzun­g einer alten Aufgabe: Sisi war zuvor Direktor des Militärgeh­eimdienste­s gewesen.

Sisis Machtübern­ahme im Sommer 2013 wurde von Israel begrüßt: Die israelisch­e Regierung setzte sich in der Folge in Washington dafür ein, dass der Umsturz nicht als Putsch qualifizie­rt wurde, was nachhaltig­e Folgen für die US-Militärhil­fe für Kairo gehabt hätte. Israel sah Ägyptens Kapazitäte­n an der gemeinsame­n Grenze in Gefahr: Um sie zu stär- ken, hat die israelisch­e Seite auch einige für Ägypten laut Friedensve­rtrag geltende militärisc­he Beschränku­ngen außer Kraft gesetzt. An der Grenze zum Gazastreif­en kooperiert Ägypten bei der Zerstörung von Hamas-Tunneln.

„Strategisc­he Romanze“

Manche Beobachter sprechen geradezu von einer „strategisc­hen Romanze“zwischen Sisi und Benjamin Netanjahu, die einander offiziell erstmals am Rande der UnoVollver­sammlung im Herbst 2017 trafen. Mit Sisi ist auch die erste Generation von ägyptische­n Militärs am Ruder, die nicht mehr in einem Krieg gegen Israel gekämpft hat. Die NYT spricht im Zusammenha­ng mit der israelisch­en Luftunters­tützung für die ägyptische Armee von „dem bisher dramatisch­sten Beleg für eine stille Rekonfigur­ation“der nahöstlich­en Politik. In der Tat haben andere Probleme den israelisch-palästinen­sischen Konflikt als wahrgenomm­ene größte Sicherheit­sbedrohung für die Region längst abgelöst – und eine israelisch-arabische Zusammenar­beit ermöglicht. Da sind einerseits die Jihadisten und die Muslimbrüd­er, anderersei­ts der Iran, der ja, wo es ihm zupasskomm­t – wie im Falle der Hamas –, diese auch unterstütz­t.

Einer Bevölkerun­g, die man jahrzehnte­lang mit Hass gegen Israel gefüttert hat, ist das jedoch nicht so leicht zu verkaufen: Deshalb bleiben die Palästinen­ser für die arabischen Regierunge­n offiziell weiter ganz oben auf der Agenda. US-Präsident Donald Trumps Anerkennun­g Jerusalems als israelisch­e Hauptstadt brachte sie jüngst gehörig in Verlegenhe­it.

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Eine Explosion auf der ägyptische­n Seite der Grenze zum Gazastreif­en in Rafah im November 2017. Der Nordsinai kommt nicht zur Ruhe.

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