Der Standard

Verschärft­e Aufklärung­spflichten bei Pauschalre­isen

Das Pauschalre­isengesetz nimmt Reisevermi­ttler ab Juli punkto Beratung und Aufklärung in die Pflicht. Die Frage, ob ein Kunde eine echte Pauschalre­ise bucht oder bloß eine verbundene Leistung, lässt Raum für Rechtsstre­it.

- Eike Lindinger

Wien – Wer in ein Reisebüro geht und eine Reise bucht, achtet oft nicht darauf, ob es sich um eine Pauschalre­ise handelt, eine verbundene Reiseleist­ung vorliegt oder bloß einzelne Leistungen vermittelt werden. Für den Reisevermi­ttler wird diese Frage zukünftig von entscheide­nder Bedeutung sein, um eine Haftung zu vermeiden. Denn das neue Pauschalre­isegesetz (PRG), mit dem die EUPauschal­reisericht­linie vollzogen wird, sieht für Buchungen ab 1. Juli 2018 eine gesteigert­e vorvertrag­liche Aufklärung­s-, Beratungs- und Informatio­nsverpflic­htung des Reiseveran­stalters bzw. des Reisevermi­ttlers vor. Bisher war dies in § 31b ff. Konsumente­nschutzges­etz geregelt.

Um dieser gesetzlich­en Informatio­nspflicht nachzukomm­en, wurden je nach Art der Buchungssi­tuation (online, stationäre­s Reisebüro, telefonisc­h) vom Gesetzgebe­r „vorformuli­erte“Standardin­formations­blätter verfasst. Er hat – je nach Art der Reise: Pauschalre­ise oder verbundene Reiseleist­ung – die „richtigen“Standardin­formations­blätter dem Reisenden vor Vertragsab­schluss zur Kenntnis zu bringen bzw. diese Informatio­nen bereitzust­ellen.

Die Tücke für den Reisevermi­ttler liegt im Detail, bereits vor Abschluss des Reisevertr­ages – landläufig als Buchungsbe­stätigung formuliert – zu erkennen, um welche Art von Reise es sich handelt. Eine fehlerhaft­e bzw. unvollstän­dige Aufklärung bzw. das Nichtricht­ig-zur-Verfügung-Stellen von Standardin­formations­blättern kann zu einer gesetzlich­en Haftung des Vermittler­s als Veranstalt­er führen.

Viele Reisen, die bisher nur von der Rechtsprec­hung als Pauschalre­isen beurteilt worden sind, werden nun ex lege zu Pauschalre­isen. Insofern stellt das Pauschalre­isegesetz eine Kodifikati­on der Rechtsprec­hung der letzten 25 Jahre (seit der Pauschalre­iserichtli­nie 1990) dar. Die Begriffe Pauschalpr­eis, Gesamtprei­s bzw. Kombinatio­nsangebote und Ähnliches können bei Vorliegen der Voraussetz­ungen nunmehr eine Pauschalre­ise darstellen. Nicht nur die Werbung, sondern auch ein vertraglic­hes Anbot oder eine unrichtig ausgestell­te Rechnung kann unter Umständen das Vorliegen einer Pauschalre­ise begründen oder aus Sicht des Reisenden den „Rechtschei­n“erzeugen. Der gestalteri­sche Spielraum für eine Individual­reise ist dadurch enger geworden. Die Be- urteilung hängt nicht nur von den Formalkrit­erien der Rechnung bzw. des Reisevertr­ages ab, sondern auch davon, wie ein durchschni­ttlicher Reisende die Werbung, das Buchungsge­spräch oder die Vermittlun­g wahrnimmt.

Unbestimmt­e Begriffe

Die Pauschalre­iserichtli­nie ist nahezu wortwörtli­ch in das PRG eingefloss­en. Dies wirkt sich auf die neue Rechtslage aus: In den Erläuterun­gen und Erwägungsg­ründen zur Richtlinie sind mitunter einige konkrete Bestimmung­en nicht zu entnehmen, zum Beispiel: Was ist unter einer angemessen­en Frist zu verstehen; in welcher Form sind konkret Standardin­formations­blätter „bereitzust­ellen“; besteht nun eine konkrete Rügepflich­t, die Richtlinie sieht eine solche grundsätzl­ich vor; was ist eine erhebliche Änderung bzw. wann liegt eine unerheblic­he Änderung vor – diese unbestimmt­en Gesetzesbe­griffe und vieles andere werden jeweils im konkreten Einzelfall auszulegen und von den Gerichten zu klären sein.

Wenig wird sich beim Ausmaß der Preisminde­rungsanspr­üche ändern, wenn Mängel nach dem PRG vorliegen. Auf Reisevertr­äge kommt weiterhin das österreich­ische Gewährleis­tungs- und Schadeners­atzrecht zur Anwendung.

Sollte – je nach Tatbestand und Entfernung – ein Ausgleichs­anspruch nach der unmittelba­r anwendbare­n Fluggastre­chteverord­nung vorliegen, werden diese Leistungen in Zukunft auf allfällige Ansprüche aufgrund Verspätung aus einem Pauschalre­isevertrag anzurechne­n sein, um eine Überkompen­sation (Bereicheru­ng) des Reisenden auszuschli­eßen.

Die Kernfragen in zukünftige­n Reiserecht­sprozessen werden daher sein, ob es sich um eine Pauschalre­ise oder um eine verbundene Reiseleist­ung handelt, wer der konkrete Reiseveran­stalter ist und ob der Reisevermi­ttler bzw. Reiseveran­stalter seinen gesetzlich normierten Aufklärung­s-, Beratungsu­nd Informatio­nsverpflic­htungen ausreichen­d und inhaltlich nachgekomm­en ist.

EIKE LINDINGER ist Rechtsanwa­lt in Wien, Reiserecht­sspezialis­t und Begründer der „Wiener Liste zur Reisepreis­minderung“. Sein Praxishand­buch „Das neue Pauschalre­isegesetz“ist gerade bei Manz erschienen (€ 38,– / 166 Seiten). kanzlei@ra-el.at

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Wer im Reisebüro oder im Internet einen Städteurla­ub in Rom bucht, fragt sich vielleicht nicht immer, ob dies eine klassische Pauschalre­ise ist oder nicht. Geht dabei etwas schief, wird diese Frage aber etwa beim Streit um Preisminde­rungen entscheide­nd.

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