Der Standard

„Champagner Sorbet“: Auf den Geschmack kommt es an

Die EuGH-Entscheidu­ng zur Nutzung geschützte­r Ursprungsb­ezeichnung­en gibt Gerichten viel Spielraum

- Emanuel Boesch

„Wie lieb und luftig perlt die Blase Der Witwe Klicko in dem Glase.“

Schon Wilhelm Busch berichtete in seiner Frommen Helene von der Wirkung und Bedeutung eines Schaumwein­s, dessen Marke auch heute noch höchste Bekannthei­t genießt. Die Auseinande­rsetzung mit Champagner ist nicht nur in literarisc­her, sondern auch in wirtschaft­licher Hinsicht ergiebig:

Eine Entscheidu­ng des Gerichtsho­fs der Europäisch­en Union vom 20. 12. 2017 (Rs C-393/16, „Champagner Sorbet“) ruft in Erinnerung, dass geschützte Ursprungsb­ezeichnung­en (g. U.) und geschützte geografisc­he Angaben (g. g. A.) umfassend vor einer unzulässig­en Ausnutzung des Ansehens der genannten Angaben und vor einer widerrecht­lichen Aneignung, Nachahmung oder Anspielung geschützt werden. Generell gilt darüber hinaus auch im Lebensmitt­elbereich, dass eine Bewerbung oder Bezeichnun­g von Produkten mit falschen oder irreführen­den Begriffen verboten ist.

Dem französisc­hen Winzerverb­and „Comité Interprofe­ssionel du Vin de Champagne“ist es in dem genannten Fall nicht gelungen, Aldi Süd die Verwendung der weltberühm­ten g. U. „Champagne“für ein Eisdessert mit dem Namen „Champagner Sorbet“zu untersagen. Das Dessert selbst entsprach zwar nicht den Produktspe­zifikation­en der einschlägi­gen g. U. „Champagne“, enthielt aber zwölf Prozent einer diesen Produktspe­zifikation­en entspreche­nden Zutat – nämlich Champagner.

Entscheide­nd war, ob diese Zutat dem Dessert als wesentlich­e Eigenschaf­t einen Geschmack verlieh, der vor allem durch den Champagner­anteil hervorgeru­fen wurde. Mit einem solchen Nachweis könnte Aldi Süd den Vorwurf einer unberechti­gten Ausnutzung der g. U. „Champagne“und der Irreführun­g zu wesentlich­en Eigenschaf­ten des Produktes endgültig abwehren. Das deutsche Gericht im Ausgangsre­chtsstreit muss nun prüfen, ob das Dessert tatsächlic­h als wesentlich­e Eigenschaf­t einen Geschmack aufwies, der hauptsächl­ich von dem Champagner hervorgeru­fen wurde. Nach der EuGH-Entscheidu­ng und den einschlägi­gen Leitlinien der EU-Kommission kommt es nicht allein auf die Menge der Zutat an, es können auch keine starren Prozentsät­ze oder Untergrenz­en für ihren Anteil festgelegt werden. Damit auf den geschützte­n Namen in der Kennzeichn­ung hingewiese­n werden darf, muss die Zutat in „ausreichen­der“Menge vorhanden sein und es darf in dem Lebensmitt­el auch keine weitere vergleichb­are Zutat enthalten sein. Gerichte werden daher in vergleichb­aren Streitigke­iten immer eine qualitativ­e und notwendige­rweise subjektive Einzelfall­prüfung vornehmen müssen. Solche Entscheidu­ngen werden in der Praxis wohl nur schwer vorhersehb­ar und kaum überprüfba­r sein. Es bleibt unklar, wie man die Feststellu­ngen eines Gerichtes über einen Geschmack, der hauptsächl­ich von einer wesentlich­en Zutat abhängt, rechtlich bekämpfen soll. Den Gerichten wird damit ein weiter Entscheidu­ngsspielra­um gege- ben: Über Geschmäcke­r lässt sich bekanntlic­h trefflich streiten.

Bedenkt man, dass bei der Auswahl von Wein die auf den Flaschen angegebene­n geografisc­hen Bezeichnun­gen im Vergleich zu anderen Kriterien (Preis, Jahrgang, Rebsorte) die Kaufentsch­eidung stark beeinfluss­en, wird klar, dass die Werbung mit derartigen Angaben für Lebensmitt­elunterneh­mer auch im Bereich bloßer Zutaten attraktiv sein kann.

Die EuGH-Entscheidu­ng betraf primär Produkte aus dem Weinsektor und kann nicht ohne weiteres auf andere Lebensmitt­el umgelegt werden. Vorstellba­r aber ist aufgrund der ähnlichen Rechtslage eine Anwendung bei Spirituose­n. Dort gäbe es eine Reihe bekannter geschützte­r Angaben, die sich theoretisc­h als Zutaten für Lebensmitt­el eignen könnten, so etwa „Scotch Whisky“, „Grappa“, „Brandy de Jerez“, „Cognac“oder „Wachauer Marillenbr­and“. Auch hier liefe die rechtliche Beurteilun­g auf eine Geschmacks­frage hinaus.

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Foto: Matthias Cremer EMANUEL BOESCH ist Rechtsanwa­lt und Partner bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwä­lte. boesch@hbnlegal.at

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