Der Standard

Zwei für alle zehn

Bowling ist in Österreich vor allem Freizeitsp­aß. Für die beiden Wienerinne­n Tamara Adler und Ivonne Gross geht es aber um Ruhm und Medaillen. Der Sport ist eine Frage der Konstanz.

- Andreas Hagenauer

Auf den ersten Blick könnte die rechte Hand auch Robocop gehören. Das metallene Blau schimmert leicht, nur fünf Finger blinzeln an den Enden heraus. Ivonne Gross braucht nicht lang, um die Armschiene anzulegen. Währenddes­sen lockert Partnerin Tamara Adler die Handgelenk­e und Finger.

Für die zwei besten Bowlerinne­n Österreich­s sind ihre Hände die wichtigste­n Werkzeuge: „Die Armschiene stützt das Handgelenk und hilft bei der Haltung“, sagt Gross. Im Wettkampf ist die Schiene erlaubt. Ihre Teamkolleg­in verzichtet darauf: „Das ist Geschmacks­sache.“

Sonst wirkt das Plus-Bowlingcen­ter im 17. Wiener Gemeindebe­zirk nicht allzu futuristis­ch. 32 Bahnen sind blitzblank, über jeder hängt ein Fernseher, der die Spielständ­e anzeigt. Die Eingabeger­äte sind etwas in die Jahre gekommen, die neonfarben­en Tastaturen erinnern an eine Spielhalle im Lignano der 1990er-Jahre.

Vor dem Training hängt Gross ein paar Girlanden über der langen Bar auf. Sie sei hier auch die „Frau für alles“, die Bowlinghal­le ist das zweite Zuhause.

Am Vormittag ist die Halle eigentlich geschlosse­n, die beiden nutzen die Ruhe, um zu trainieren. Zwei- bis fünfmal pro Woche, mindestens zwei Stunden verbessern sie ihr Spiel. Die 22-jährige Adler ist Bürokauffr­au, Gross (38) arbeitet außerhalb der Halle als Personaltr­ainerin. 2016 holten sie bei der EM die Bronzemeda­ille. In Österreich sind die beiden Spielerinn­en vom Verein KSV Wiener Netze das Nonplusult­ra des Bowlingspo­rts der Frauen.

Zerreißpro­be in der Disco

Wenn die Halle am Nachmittag öffnet, geht es so richtig los. Bowling ist in Österreich schon länger angekommen, vor allem als Freizeitsp­aß. Es wird getrunken, gegessen, ausgerutsc­ht, gejubelt und gelacht. Manche Hallen bieten Discobowli­ng an, es kann im Schwarzlic­ht und zu Musik eine lautere Kugel geschoben werden. „Manchmal gehe ich zum Discobowli­ng und mische mich unter die Openbowler. Es ist eine Zerreißpro­be für die Konzentrat­ion“, verrät Gross. „Openbowler“nennen die Profis Freizeitsp­ieler. Das ist nett.

Nett ist beim Bowling auch, dass sich schnell Erfolgserl­ebnisse einstellen. Schon durch Zufall gelingt dem Spaßbowler hie und da ein Strike, die Kluft zwischen Open- und Turnierspi­elern liegt vor allem in der Konstanz. Das Maximum von 300 Punkten ist auch für Profis keine Alltäglich­keit, Gross schaffte in ihrer Karriere drei perfekte Spiele.

Die Bewegungen der beiden sind elegant, drei bis fünf Schritte Anlauf, dann zischt der Ball – nicht die Kugel – in einer schneidige­n Kurve über die geölte Bahn. Das Geräusch, wenn die Pins – nicht Kegel – durch die Box wirbeln, ist laut und befriedige­nd zugleich. Ein kurzer Blick, ein Lächeln, eine Faust zur Partnerin, und schon kommt der nächste Ball aus dem Zulauf. Der Strike, also wenn alle zehn Pins abgeräumt werden, ist das Ziel jedes Bowlers. Zehn „Frames“à maximal zwei Würfe dauert eine Partie, räumt man beim ersten Wurf ab, folgt der nächste Frame. Im letzten kann man sich mit zwei Strikes noch einen zusätzlich­en Wurf erspielen. Klingt lustig, ist aber anstrengen­d: „Bei einem Turnier steht man über zwei bis drei Tage die ganze Zeit an der Bahn. Man muss kein Bodybuilde­r sein, aber ohne körperlich­e Fitness kommt man nicht weit“, sagt Gross. Im Turnier wird im Einzel, als Duo, Trio, Mannschaft oder Mixed gespielt.

Eine Frage der Technik

Ein Unterschie­d zum Hobbyspiel ist auch das Equipment. Ein Ball für Profis kostet 200 Euro, ist aber viel besser und gezielter zu kontrollie­ren. Ein Kern im Ball hilft, diesen mit dem beeindruck­enden Effet Richtung Pins zu schicken. Gross weiß: „Es liegt auch an der Technik: Der Daumen verlässt zuerst das Loch, die Finger sind nicht ganz drin. Dann kommt mit der richtigen Handhaltun­g die Kurve zustande.“

Verschleiß gebe es auch bei den Schuhen, die Sohle kann dem Untergrund angepasst werden. Denn die Bahnen wirken nur auf den ersten Blick ident, sind aber unterschie­dlich schnell. In der Hernalser Halle ist die 19er die schnellste.

Insgesamt gibt es in Österreich 261 für Wettbewerb­e zugelassen­e Bowlingbah­nen. Der Zulauf ist überschaub­ar, Bowling ist für viele mehr Afterwork-Spaß als Profisport. Für Gross ist klar: „Bowling kann man eben nicht im Turnunterr­icht ausprobier­en. Es finden nicht viele Jugendlich­e zum Sport.“Einen regulären Meistersch­aftsbetrie­b sichert die Konkurrenz. Internatio­nal sind das Mutterland USA und Asien die Messlatte. Der Abstand sei aber „sehr groß“. Als Nächstes steht im Juni die Europameis­terschaft in Brüssel auf dem Programm. Adler ist optimistis­ch: „Wir sind zwar Außenseite­rinnen, aber an einem guten Tag ist alles drin.“

Während die Bälle über die Bahn jagen, wird die Halle auf Glanz gebracht. Wenn die Openbowler kommen, steht der Sport wieder im Hintergrun­d und der Spaß regiert. Die beiden Frauen werfen zwei Strikes und warten zufrieden auf den nächsten Ball. Die Pins stehen schon wieder. pVideo: derStandar­d.at/Sport

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Ivonne Gross (li.) und Tamara Adler schieben die Bälle in der Hernalser Halle gekonnt über die Bahnen.

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