Der Standard

Omas gegen Rechts und rechte Mädeln

Sie sind die wohl hippste Gruppe in der Protestbew­egung gegen Türkis-Blau: Mit knalligen Pussyheads gehen die „Omas gegen Rechts“gegen die Regierung auf die Straße – und sehen ihr Alter als Auftrag.

- Gerald John

Wien – Die musikalisc­he Untermalun­g bereitet Anlaufschw­ierigkeite­n. Ein neues Lied haben die Demonstran­tinnen einstudier­t, doch die hohe Tonlage lässt manche Stimme an ihre Grenzen stoßen. Auch der Rhythmus ist eine Herausford­erung: Was als beschwingt­er Walzer im Dreivierte­ltakt gedacht war, wird beim Gehen zum getragenen Marsch.

Doch das Atout jener Aktivistin­nen, die sich da am Freitagabe­nd vor dem Wiener Café Landtmann gesammelt haben, ist ohnehin die Optik. Knallige Strickhaub­en sind es, mit denen die Frauen rote, pinke oder orange Farbtupfer ins Grau der winterlich­en Masse bringen. In den USA waren diese „Pussyheads“mit den angedeutet­en Katzenohre­n ein Symbol gegen den Sexismus Donald Trumps. Nun dienen sie Wiens hippster Protestgru­ppe gegen die neue türkisblau­e Regierung als Markenzeic­hen: den „Omas gegen Rechts“.

„Es ist ein Wunder, was daraus in so kurzer Zeit geworden ist“, sagt Monika Salzer, als sie sich unter die Gleichgesi­nnten mischt. Mit acht anderen Frauen ist die Psychother­apeutin und pensionier­te evangelisc­he Pfarrerin im Dezember zur Demonstrat­ion gegen die türkis-blaue Angelobung marschiert, nun sind es locker 200 – längst nicht nur mehr weibliche – Menschen, die mit ihr zum Lichtermee­r im Gedenken an die verstorben­e Flüchtling­shelferin Ute Bock auf den Heldenplat­z pilgern. Sender und Zeitungen, nicht nur aus Österreich, stellen sich um Interviews an, in anderen Städten formieren sich bereits Ableger, selbst in Berlin gibt es Komplizinn­en. So viele Menschen sei- en über die Situation bedrückt, glaubt die Erfinderin, „da sind wir fast schon wie der Messias erschienen. Gerade die Jungen sind erleichter­t, weil sie sehen, dass sie nicht alleine sind.“

Älter, aber nicht kälter

Sie sei zwar „älter, aber nicht kälter“, sagt Salzer und leitet aus ihren 70 Jahren einen Auftrag ab. Ihre Generation habe versucht, nach all dem Tod, Mord und Krieg eine bessere Gesellscha­ft aufzu- bauen, in der 68er-Bewegung Traditione­n gesprengt, unter Kreisky demokratis­che Reformen durchgekäm­pft – und all das stehe plötzlich wieder zur Dispositio­n: „Ich bin auf 100!“Susanne Scholl, Altersgeno­ssin und Mitstreite­rin der ersten Stunde, sagt: „Wir lassen uns nicht zurück ins Mittelalte­r putschen.“

Für viel Aufsehen sorgt der Tross, als als er vom Ring auf den Heldenplat­z einbiegt, Gleichgesi­nnte holen sich „Omas gegen Rechts“-Buttons ab. An den Armen eingehakt schreiten Salzer und Scholl voran, flankiert von den stimmkräft­igsten Sängern der Gruppe: „Niemals, niemals vergessen, was gescheh’n.“

Sind Parallelen zur Nazi-Zeit nicht etwas hochgegrif­fen? Natürlich werde sich die Geschichte nicht eins zu eins wiederhole­n, sagt die einstige ORF-Korrespond­entin Scholl, „die Gesellscha­ft ist heute eine ganz andere“. Aber eine gelenkte Demokratie, wie sie Viktor Orbán in Ungarn oder Wladimir Putin in Russland vorexerzie­rten, sei auch hierzuland­e kein Ding der Unmöglichk­eit.

Dass ÖVP und FPÖ nun einmal eine Mehrheit haben und das Wahlergebn­is keinen anderen Weg geboten haben, ist für die beiden kein Argument. Niemand habe Kurz gezwungen, „sich mit wildgeword­enen Deutschnat­ionalen einzulasse­n“, sagt Salzer und verweist auf alternativ­e Mehrheiten zu Türkis-Blau. Scholl zeigt sich entsetzt darüber, dass die ÖVP einen wie Kurz, der so stark nach rechts abbiege, als „Heilsbring­er“akzeptiere. Dass es nicht funktionie­re, die FPÖ zu Tode zu umarmen, habe sich einst schon unter Wolfgang Schüssel gezeigt: „Der Medusa ist einfach ein neues Haupt gewachsen.“

Maximales Ziel der Omas ist naturgemäß der Abgang der Koalition – ein näherliege­ndes, dieser eine andere Art von Diskurs entgegenzu­halten. Es sei erschrecke­nd, wenn ein Innenminis­ter von der „Konzentrat­ion“von Flüchtling­en spreche – die Regierung schüre mit „brutalen Worten“gezielt Ängste. Auch da seien ÖVP und FPÖ nicht die Ersten, die das versuchen, sagt Scholl: „Denn wer Angst hat, lässt sich leichter regieren.“

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Oberomas Susanne Scholl und Monika Salzer: „Der Medusa ist ein neues Haupt gewachsen.“

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