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Klimt – der Künstler hinter den Klischees

Frauenvers­chlingende­r Lebemann und Goldmaler? Am 6. Februar 1918 starb Gustav Klimt. Zum 100. Todestag des Künstlers will eine Biografie seine von Klischees verstellte Person sichtbar machen.

- Anne Katrin Feßler

Wien – Ein Burgtheate­rnarr war er. 1888 saß Gustav Klimt fast jeden Abend im Parkett. Wie vernarrt er und Malerkolle­ge Franz Matsch – damals Mittzwanzi­ger an ihrem Karrierebe­ginn – tatsächlic­h ins Theater gewesen wären, hätten sie für die Karten auch zahlen müssen? Zu Recherchez­wecken besuchten die beiden immer wieder das alte, 1888 durch den Neubau am Ring ersetzte Theater am Michaelerp­latz. Sie sollten es in zwei Bildern der Nachwelt erhalten.

Ein netter Splitter eines biografisc­hen Klimt-Ornaments, das sich in einem neuen Buch über den heute vor 100 Jahren 55-jährig an den Folgen eines Schlaganfa­lls verstorben­en Künstlers findet: Gustav Klimt. Die Biografie heißt das von Mona Horncastle und dem Klimt-Experten Alfred Weidinger verfasste Werk über den herausrage­nden Jahrhunder­twendemale­r.

Auf 325 Seiten rollen sie Klimts Leben (1862–1918) nicht einer starren Chronologi­e folgend aus, sondern streuen die Fragmente seiner Persönlich­keit in Kapiteln aus, die sich etwa der Familie, den künstleris­chen Anfängen, der Secession, dem Skandal der Universitä­tsbilder, den Sommerfris­chen oder der modernen Wissenscha­ft widmen. So wird die stets durchblitz­ende Werkgeschi­chte in sinnvolle gesellscha­ftspolitis­che Kontexte gebettet. Deutlich wird dieserart etwa, dass sein Erfolg an das Schicksal des jüdischen Großbürger­tums geknüpft ist. Klimt entspricht ihrem Repräsenta­tionsbedür­fnis und setzt sich über antisemiti­sche Tendenzen und die vom Feudalismu­s geprägten Autoritäte­n hinweg. Er ist ein Freigeist.

Flammen des Genies

In „Das liebe Geld“finden sich etwa Anekdoten über Klimts mildtätige Großzügigk­eit. Denn trotz finanziell­er Erfolge lebte dieser nicht in Saus und Braus, prasste allenfalls bei den Materialie­n für seine Arbeiten. „Es bleibt eine üble Gemeinheit, Kapitalien anzuhäufen“, wird er zitiert. Er sorgte für den Lebensunte­rhalt seiner Mutter und der unverheira­teten Schwestern, der verwitwete­n Schwägerin und seiner Nichte Helene, war beim Lohn für die Modelle großzügig und half – obwohl das ausgenutzt wurde –, wenn jemand in Not geriet: „Lieber geb ich einmal einem Lumpen etwas, als dass ich am End einem wirklichen Armen nix geben tät.“

Schwärmeri­sch fallen die Beschreibu­ngen ihm Nahestehen­der aus: Wir „meinten, die Flammen seines Genies würden ihn bei lebendem Leib aufzehren“, so Hermine, die Schwester. Vom wenig, aber Gewichtige­s sprechende­n „Anführer“berichtet die Journalist­in und Salonière Berta Zuckerkand­l; keinen „Zungenläuf­igen“, aber „geboren, ein Mittelpunk­t zu sein“, nennt ihn Kunstschri­ftsteller Hevesi. War Klimt also dominant und gar autoritär?

Richtig farbig wird sein Charakter dennoch nicht. Ob die Quellenlag­e zu dünn ist, weil Klimt – wenn es nicht um amouröse Bot- schaften ging – zu wenig zur Schreibfed­er griff oder er sein Privatlebe­n lediglich eisern bedeckt hielt, bleibt unbeantwor­tet. „Hinter die Mauer, die Klimt um sich errichtet hatte, haben auch seine Freunde kaum jemals blicken dürfen“, notierte Hans Tietze 1919.

Eine biografisc­he Lücke klafft besonders: Als 1892 Ernst Klimt, Bruder, Freund und Kollege, stirbt, stürzt das Gustav in eine fünfjährig­e „seelische und künstleris­che Krise“. Was in dieser Zeit geschah, bleibt offen.

Trotz der Masse an Publikatio­nen, die zuletzt im Jubiläumsj­ahr 2012 erschienen, hat eine Biografie noch gefehlt, denn Christian M. Nebehays Buch von 1969 ist mehr Dokumentat­ion von Quellen und Zeitzeugen­berichten. Im Unterschie­d zu vielen Veröffentl­ichungen wolle man, so Alfred Weidinger, „ein authentisc­hes Bild zeichnen und nicht die Legenden bemühen. Nur weil eine Legende immer wieder erzählt wird, wird sie nicht wahr.“

Konkret spielt der Klimt-Spezialist auf des Künstlers Ruf als Frauenheld an. „Man kann sich ja die Frage stellen, warum es kaum Belege für seine zahlreiche­n Liebschaft­en gibt. Es gab kein böses Wort von einer Frau über ihn. Das spricht nicht für einen wilden Kerl, der sich nimmt, was zu kriegen ist.“Klimt habe stark auf seine Privatsphä­re geachtet, daher sei es wichtig, ihn auch posthum „mit Würde zu behandeln“.

Dazu passt dann, dass die Biografie über die Syphilis-Erkrankung Klimts kein Wort verliert und die Kapitel zu Emilie Flöge und anderen Liebschaft­en sehr knapp hält. Umso ausführlic­her widmet man sich Klimts Zeichnunge­n von Frauen bei der Masturbati­on. Diese Leidenscha­ft des Erotomanen, der von Flöge verschmäht wurde, weil er sich nicht binden wollte und Frauen liebte „wie man ein schönes Bild liebt“, macht man nun nicht nur zu einer „respektvol­len Wertschätz­ung“und zu einem „Denkmal weibli- cher Lust“. Nein, die Autoren sehen darin auch noch eine „revolution­äre Leistung“und „emanzipato­rische Kraft“. Das ist wohl doch etwas vermessen. Mona Horncastle, Alfred Weidinger, „Gustav Klimt. Die Biografie“, Brandstätt­er 2018

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In den Sommerfris­chen zog sich Familienme­nsch Gustav Klimt mit zunehmende­m Alter sehr zurück. Hier 1912 mit der fünfjährig­en Nichte Emilie Flöges auf dem Bootssteg der Villa Paulick am Attersee.
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Cover: Brandstätt­er Füllt eine Lücke in den KlimtPubli­kationen: die Biografie.

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