Unmut über Brandstetter
Kritik seitens Justiz und Opposition an Wechsel in VfGH
Wien – Die Pläne von ÖVP und FPÖ, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter als Verfassungsrichter zu nominieren, stoßen hinter vorgehaltener Hand auf Unmut im Höchstgericht. Beklagt wird, dass Brandstetter zuvor Gesetzesvorhaben mitbestimmt habe, die er nun möglicherweise kontrollieren müsse. Kritik kommt auch von der Opposition. Für die Liste Pilz fehlt Brandstetter das verfassungsrechtliche Know-how, die Neos orten eine „schiefe Optik“, die SPÖ fordert eine zweijährige Cooling-offPhase für Ex-Politiker vor einem Wechseln in den VfGH. (red)
Eines ist klar: Die Politik wird immer eine gewisse Rolle bei der Besetzung des Verfassungsgerichtshofs spielen. Allein sechs von 14 Richtern werden vom Bundespräsidenten „auf Vorschlag der Regierung“ernannt. Der Rest wird von Nationalrat und Bundesrat nominiert. Es geht also nicht darum, jede nur denkbare parteipolitische Nähe aus dem Höchstgericht zu verbannen.
Entscheidungen der Verfassungsrichter sollten aber auf breiteste Akzeptanz bei der Bevölkerung und auch bei den politischen Parteien stoßen. Sie müssen um jeden Verdacht erhaben sein. Bisher war das (weitgehend) der Fall.
Mit der Bestellung von Wolfgang Brandstetter läuft die Regierung nun aber Gefahr, den Ruf des VfGH zu beschädigen. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass einige heikle Materien dieser Regierung – Stichwort Familienbeihilfe oder Mindestsicherung – beim Höchstgericht landen werden. Dass ein enger Vertrauter des ÖVP-Chefs hier neutral entscheiden wird, kann und wird bezweifelt werden.
Der Fall ruft aber einmal mehr in Erinnerung, dass die Unvereinbarkeitsregeln grundsätzlich neu aufgesetzt werden sollten. So ist es in Österreich kein Problem, wenn Verfassungsrichter gleichzeitig in Aufsichtsräten von Unternehmen sitzen und als Richter Entscheidungen treffen, die möglicherweise die Konkurrenz ihres „Arbeitgebers“betreffen. Die Lex Brandstetter sollte Anstoß für eine Reform mit einheitlichen Cooling-off-Regeln für alle Höchstrichter sein.