Ehrgeizige EU-Erweiterungsstrategie
Im besten Falle sollen Montenegro und Serbien die Verhandlungen 2023 abschließen
Brüssel/Sarajevo – Heute, Dienstag, stellt die EU-Kommission ihre neue Erweiterungsstrategie vor und spricht von einem „historischen Zeitfenster“für die sechs Balkanstaaten Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo und Albanien. Im besten Falle könnten Montenegro und Serbien bis Ende 2023 die Verhandlungen beenden und mit 2025 beitreten.
Mazedonien kann ohnehin sofort zu verhandeln beginnen, wenn Griechenland bei der Namensfrage einlenkt – und Bosnien-Herzegowina könne 2019 den Kandidatenstatus bekommen, heißt es in einem Entwurf des Dokuments, dass dem STANDARD vorliegt. Allerdings fehlt es in allen Staaten an Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Die Justiz ist überall und tief von Partei- und Klientelinteressen unterlaufen.
Toby Vogel vom Democratization Policy Council spricht deshalb von einem „unglaublich ehrgeizigen Zeitrahmen“für Montenegro und Serbien. „Um das zu erreichen, müsste man mit Voll- dampf vorangehen. Es bräuchte einen gründlichen Umbau des Systems. Die Nähe zwischen Sicherheitsapparat, organisiertem Verbrechen und Politik hat sich in den letzten Jahren nicht wirklich geändert“, moniert der Experte.
Ein reines Monitoring der Reformen sei deshalb zu wenig. Erwähnt werden in dem Text verstärkte EU-Rechtsberatungsmissionen und Expertengruppen, die die Reformen, die vorbildhaft in Mazedonien gemacht werden, analysieren sollen.
Konkrete Beitrittsdaten
Vogel kritisiert, dass die Kommission ihre jahrelange Politik aufgegeben hat und nun wieder Beitrittsdaten nennt – damit hatte man bei Bulgarien und Rumänien schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich bin skeptisch, ob das ein schönes Papier ist, mit dem man Serbien ermutigt – oder wirklich ein Neuanfang der Erweiterungspolitik“, sagt er zum STANDARD.
Er verweist aber darauf, dass Serbien viele Freunde im Europäischen Rat hat. Widerstand der EU-Staaten erwartet er demnach nicht. Er ist aber skeptisch, ob Ser- biens EU-Integration wirklich zu der erhofften Stabilisierung in der Region führt. Die EU-Kommission fordert, dass Serbien und der Kosovo bis Ende 2019 einen rechtlich verbindlichen Vertrag schließen. Bei einem EU-Beitritt dürfe es keine offenen Grenzfragen geben. Brüssel will zudem „spezielle Vorkehrungen“, um zu verhindern, dass neue EU-Staaten die Kandidaten der nächsten Runde blockieren können.
Die Vorbeitrittshilfen sollen erhöht werden. Angesichts der schwachen Wirtschaftsleistung und der niedrigen Bevölkerungsanzahl sieht man in der Kommission„wenig Auswirkungen auf das EU-Budget“, wenn es zum Beitritt kommt. Man will aber die Konsequenzen für Personenfreizügigkeit und Landwirtschaft prüfen.
Im mehrjährigen EU-Finanzrahmen solle man sich „auf die Möglichkeit eines Beitritts von neuen Mitgliedstaaten ab 2025 vorbereiten“, heißt es. Von einer Mitgliedschaft zweiter Klasse ist keine Rede: „Die Staaten des westlichen Balkans werden volle Beitragszahler und Nutznießer der EU Politik.“