Aufräumarbeiten
Nach den Vorfällen beim 325. Wiener Derby drohen Rapid harte Sanktionen. Präsident Michael Krammer sieht die rote Linie überschritten und möchte sich bei der Fanarbeit beraten lassen. Austrias Vorstand Markus Kraetschmer fürchtet um den Fußball.
Wien – Rapid legt bekanntlich großen Wert auf Tradition. Die Tradition der Dummheit, der Randale ist freilich im Wertekatalog nicht explizit erwähnt. Aber sie ist nicht zu leugnen. Die Hilflosigkeit des Vereins gewaltbereiten Fans gegenüber ist frappant. Funktionäre fühlen sich immer wieder bemüßigt zu betonen, wie toll denn die Anhänger seien, die Choreografien, die Stimmung, ein Wahnsinn. Anders gesagt: Man kriecht ihnen bisweilen in den Hintern, relativiert, verharmlost. Am Sonntag ist dieses sonderbare Fass zum x-ten Mal übergelaufen, das Derby im Allianz-Stadion stand vor dem Abbruch. Austrias Kapitän Raphael Holzhauser wurde von einem Feuerzeug getroffen, erlitt eine blutende Wunde im Brustbereich. Er machte weiter. Schiedsrichter Rene Eisner sagte später: „Hätte er einen Abbruch gewünscht, hätte ich das selbstverständlich gemacht.“Holzhauser teilte am Montag auf Facebook mit: „Ich als Spieler möchte mich wie jeder andere in seinem Beruf sicher fühlen und erwarte entsprechende Maßnahmen von den Vereinen und der Bundesliga. Ich habe gestern durch mein Weiterspielen ein Zeichen für Fairness gesetzt.“
Rapids Reaktionen unmittelbar nach der Partie (Endstand 1:1) waren irritierend, möglicherweise (hoffentlich) waren sie auch dem Adrenalin und Stress geschuldet. Trainer Goran Djuricin sagte tatsächlich: „Die Fans sollen sich nicht provozieren lassen.“Und er forderte einen Selbstreinigungsprozess innerhalb des Block West. Frei übersetzt: Der Klub lehnt Verantwortung ab. Abgesehen davon würde diese Reinigung in einem Massaker enden, der harte Kern umfasst mittlerweile mehrere tausend Personen. Der 20-jährige Torschütze Dejan Ljubicic verwunderte nicht minder: „Hätte Holzhauser den Eckball schneller ausgeführt, wäre nichts passiert.“Stunden später hat er sich für diese Behauptung entschuldigt. Rapids Spitze, also Präsident Michael Krammer und Wirtschaftsvorstand Christoph Peschek, trat nicht öffentlich auf. Lediglich Kommunikationschef Peter Klinglmüller hat die Vorfälle „aufs Schärfste“verurteilt.
Austrias Vorstand Markus Kraetschmer sagte am Montag zum Standard: „So kann es nicht weitergehen, Fußball muss normal über die Bühne gehen, sonst geht er kaputt. Hut ab vor Holzhauser.“Die ersten Statements seitens Rapid „haben mich erstaunt. Da war ja fast eine Täter-Opfer-Umkehr.“Auch die Austria habe mit gewaltbereiten Fans zu tun gehabt, 2009 gegen Athletic Bilbao war das violette Fass übergelaufen. „Aber wir haben reagiert, Leute ausgeschlossen. Es gibt drei Dinge, die nicht sein dürfen: Gewalt, unerlaubte Pyrotechnik und Politik.“
Natürlich müsse die Bundesliga, Kraetschmer gehört wie Krammer dem Aufsichtsrat an, hart durchgreifen. „Noch wichtiger als zu strafen ist ein Umdenken. Ich weiß auch, dass 95 Prozent der Rapid-Fans in Ordnung sind. Aber darum geht es nicht.“BundesligaVorstand Reinhard Herovits fin- det den Vorfall „inakzeptabel und nicht tolerierbar. Wir müssen und werden hart durchgreifen. Es ist ja kein Einzelfall.“Ein Verfahren wurde eingeleitet, das Urteil des Senats 1 der Bundesliga ist frühestens in einer Woche zu erwarten. Rapid droht eine saftige Geldstrafe von bis zu 150.000 Euro, ein Geisterspiel, eine Platzsperre und eine Teilsperre des Stadions (zum Beispiel kein Block West) sind auch möglich. Seit der Saison 2010/11 mussten die Hütteldorfer schon 1,2 Millionen Euro an Strafzahlungen leisten.
Stadionverbote
Krammer lud am Montag um 15 Uhr zu einer Pressekonferenz ins Allianz-Stadion. „Kein erfreulicher Anlass.“Er nehme erst jetzt Stellung, „weil wir sofort recherchiert haben“. Auf den Videos wurden bereits elf Werfer ausgeforscht, es gehe nun darum, die Identitäten zu klären. „Die rote Linie wurde überschritten, sie bekommen für mindestens zwei Jahre Stadionverbot. Das gilt auch für die zwei Flitzer, die namentlich bekannt sind. Ich bin aber gegen Pauschalverurteilungen, was können denn die vielen vernünftigen Rapid-Fans dafür? Wir werden auch Regressforderungen an die Täter stellen.“Krammer entschuldigte die nicht gerade großartigen Wortmeldungen von Djuricin und Ljubicic nach dem Spiel, er ersuchte um Nachsicht. „In der Emotion gibt man eben nicht gerade die hochwertigsten moralischen Antworten. Dafür sind wir zuständig. Sie sollen ihre Arbeit machen, trainieren und Fußball spielen.“
Der Präsident kündigte auch ein Art Selbstreflexion im Verein an. „Wir müssen uns schon fragen, ob wir bei der Fanarbeit etwas verabsäumt haben.“Man werde deshalb mit internationalen Experten in Kontakt treten, mit Fachleuten von Basel und Schalke.
Kraetschmer sagte noch: „Es ist eigentlich alles sehr schade. Denn das Spiel an sich war vom Niveau und der Spannung her wirklich gut. Leider interessiert das überhaupt nicht. So geht der Fußball kaputt.“