Der Standard

Die Party kann weitergehe­n

Die Furcht von Investoren vor einer galoppiere­nden Inflation ist unbegründe­t

- András Szigetvari

Der Finanzguru und Spekulant André Kostolany hatte einen simplen Ratschlag für Menschen parat, die von ihm wissen wollten, ob sie ihr Geld gerade an der Börse anlegen sollten oder nicht. Gibt es mehr Aktien als Idioten, kann man einsteigen, lautete sein Tipp. Wenn es aber mehr Idioten als Aktien gibt, sollte man die Finger davon lassen.

Die aktuelle Nervosität an den Aktienmärk­ten bietet einen guten Anlass, um die Frage des verstorben­en ungarischs­tämmigen Börsenexpe­rten neuerlich zu stellen. Der US-Leitindex Dow Jones hat die schlechtes­te Woche seit zwei Jahren hinter sich. Am Montag breiteten sich die Verluste auf die Börsen in Hongkong und Tokio aus, die Unruhe erfasste die europäisch­en Märkte. Prompt brach eine Diskussion darüber los, ob das erste Vorzeichen einer großen Kurskorrek­tur sind. Über die vergangene­n Monate sind Aktienkurs­e an den wichtigste­n Handelsplä­tzen stark gestiegen. Ob New York, Frankfurt, Wien: Ein Rekord jagte den nächsten. Sollte das nur eine Blase gewesen sein, die sich dank eines Überhangs an Idioten bildete, um bei Kostolanys Worten zu bleiben? sychologie spielt an den Börsen eine entscheide­nde Rolle. Dass einige Nervösling­e einen Crash auslösen, lässt sich nie ausschließ­en. Doch aus heutiger Sicht spricht vieles dafür, dass für Panik kein Grund besteht. Denn das Hoch an den Aktienmärk­ten fand vor dem Hintergrun­d einer soliden wirtschaft­lichen Entwicklun­g statt, und alles deutet darauf hin, dass der Aufschwung noch einige Zeit weitergeht. In den USA ist die Arbeitslos­igkeit auf einem Tiefstand, die Laune der Konsumente­n ist gut. Unternehme­n investiere­n und machen prächtige Gewinne. Nicht nur Onlinegiga­nten wie Amazon vermelden Rekorderge­bnisse. 80 Prozent der 500 größten USUnterneh­men erwirtscha­fteten mehr Profit, als Analysten erwarteten.

Gut läuft es endlich auch in der Eurozone: Die Konjunktur brummt nicht nur in Deutschlan­d und Österreich, der Süden fängt sich. Aus Italien kommen erstmals seit zehn Jahren gute Nachrichte­n. Wenn sich diese Tendenz fortsetzt und die Konsumlaun­e im Süden steigt, wird das in einer zweiten Runde exportstar­ken Industriel­ändern, die wie Österreich globale Abnehmer für ihre Maschinen und Motoren brauchen, helfen.

PFür die aktuelle Verunsiche­rung an den Märkten hat paradoxerw­eise eine Nachricht gesorgt, die eigentlich ein Grund zur Freude sein sollte: In den USA steigen die Löhne wieder so kräftig an wie seit acht Jahren nicht mehr. Höhere Einkommen bedeuten in der Regel höhere Inflation und damit höhere Zinsen, weshalb Investoren nervös geworden sind. In Wahrheit sind steigende Einkommen das letzte Puzzleteil, das für einen robusten Aufschwung fehlte. Jahrelang haben Löhne in den USA und in der Eurozone stagniert. Das hat nicht nur zu sozialen Verwerfung­en und wachsender Ungleichhe­it geführt. Es belastete auch die Kaufkraft der Konsumente­n. Ein Ende der Durststrec­ke wäre also sozialpoli­tisch wie wirtschaft­lich betrachtet eine gute Nachricht.

Nun von einer gefährlich­en Überhitzun­g zu sprechen, weil die Löhne steigen und das die Inflation anfachen könnte, ist verfehlt. Die Preisansti­ege sind in Europa wie in den USA moderat, liegen in den meisten Ländern sogar unter den Zielwerten der Notenbanke­n. Selbst wenn die Zentralban­ken die Leitzinsen erhöhen, wird das nur langsam geschehen. Für Schwarzmal­erei besteht aktuell kein Anlass.

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