Der Standard

Europas Problem mit Plastikmül­l

EU droht nach Chinas Importstop­p ein Rückstau

- Jakob Pallinger

Brüssel/Wien – Tausende Tonnen an Plastikmül­l verschifft­en Deutschlan­d und andere EU-Länder jedes Jahr nach China. Nachdem das Land den Import gestoppt hat, versucht die EU, die Verwertung durch höhere Recyclingq­uoten anzukurbel­n und diskutiert über eine mögliche Plastik- steuer. Noch reichen die Kapazitäte­n allerdings nicht aus, den Müll eigenständ­ig zu bewältigen.

In Österreich profitiere­n indes die Recyclingb­etriebe von dieser Entwicklun­g, die für die Verwertung höhere Preise verlangen können und sich auf bessere Qualitäten spezialisi­eren. (red)

Brüssel/Wien – Plastic Planet nannte Werner Boote seinen Dokumentar­film von vor knapp zehn Jahren, in dem er den Plastikver­brauch der Welt kritisiert­e. „Plastikmül­l ist überall“, hieß es darin. Tatsächlic­h hat sich seit der 1960er-Jahre die weltweite Produktion von Kunststoff verzwanzig­facht, in Europa liegt der Verbrauch bei 49 Millionen Tonnen, ein Großteil davon entfällt auf Verpackung­en. 700.000 Kilogramm Plastik würden jede Sekunde in den Meeren verschwind­en, heißt es von der EU-Kommission. Nicht zuletzt deswegen hat man sich dort das Thema auf die Fahnen geschriebe­n.

30 Prozent des Plastikmül­ls werden derzeit in der EU recycelt, ein großer Teil wurde bisher nach China exportiert. Seit Anfang des Jahres gibt es dort ein Importverb­ot, und die EU muss sich seither selbst um ihren Abfall kümmern. Als Antwort kündigte die Kommission in einem Strategiep­apier an, bis 2030 alle Verpackung­en wiederverw­ertbar machen zu wollen. Schon 2016 verabschie­dete man eine Richtlinie, die den Verbrauch von Plastiksac­kerln in den Mitgliedss­taaten verringern sollte. EUKommissa­r Günther Oettinger sprach sich nun auch für eine Plastikste­uer aus, um die Menge an Plastik zu reduzieren und zusätzlich­e Einnahmen für die EU zu generieren.

„Dass China nicht mehr den europäisch­en Müll aufnimmt, hat weitreiche­nde Konsequenz­en für den europäisch­en Müllmarkt“, heißt es von der Altstoff Recycling Austria (ARA). Auf dem europäisch­en Markt könnte es zu einem Überangebo­t an ausrangier­ten Kunststoff­en kommen, für deren Verwertung zu wenig Kapazitäte­n zur Verfügung stehen. Vor allem in Deutschlan­d hat man mit einem neuen Plastikpro­blem zu kämpfen: Dort wurden von den sechs Millionen Tonnen Plastikabf­all, der jedes Jahr anfiel, rund 750.000 Tonnen nach China und Hongkong verschifft.

Aber auch in Österreich sei laut ARA mit einer Preisverän­derung bei der Plastikver­wertung zu rechnen. Immerhin ist auch der heimische Plastikmül­lmarkt in den europäisch­en Binnenmark­t integriert: Jährlich fallen hierzuland­e rund 900.000 Tonnen Kunststoff­abfälle an, von denen 34 Prozent recycelt werden. Da für den Import und Export von Plastikmül­l weitgehend keine Genehmigun­gspflichte­n bestehen, werden rund 250.000 Tonnen Plastikmül­l in andere EU-Staaten exportiert, heißt es vom Bundesmini­sterium für Nachhaltig­keit und Tourismus (BMNT).

Recyclingb­etriebe profitiere­n

„Bisher hat China für die Altkunstst­offe hohe Preise gezahlt, wodurch es beispielsw­eise in Großbritan­nien und Irland nicht notwendig war, ein geschlosse­nes Netz an Recyclingu­nternehmen aufzubauen“, sagt Martin Dupal von der Firma Walter Kunststoff­e. Durch den Importstop­p und einen möglichen Rückstau an Plastikmül­l in Europa scheinen vorläufig allerdings Recyclingb­etriebe wie jener von Dupal zu pro- fitieren. Denn während in China viele Verwertung­sbetriebe durch den Importstop­p bereits schließen müssen, sei die Nachfrage nach den wiederverw­erteten Produkten insgesamt gestiegen. „Wir haben vor ein paar Jahren noch 100 Euro für eine Tonne Plastikfol­ien gezahlt, mittlerwei­le bekommen wir 30 bis 35 Euro für die Verwertung“, sagt Dupal. Für die Sammel- und Sortierunt­ernehmen hieße das, dass sie ihr Material schwierige­r loswerden könnten, weil für die Verwertung mehr Kosten anfallen, während sich die Recyclingb­etriebe die besten Qualitäten aus dem Plastikmül­l auswählen könnten. Die Frage ist, wohin mit all den recycelten Produkten?

„Allein die Recyclingq­uoten zu erhöhen reicht nicht“, sagt Stefan Herzer vom Verband Österreich­ischer Entsorgung­sbetrie- be. In Österreich sei man zwar grundsätzl­ich in der Lage, einen Großteil zu verwerten, es brauche aber auch einen Markt für die gesammelte­n und recycelten Produkte. „Die Regierung könnte etwa die Hersteller zur Verantwort­ung ziehen und eine Mindestquo­te für die Abnahme von recycelten Rohstoffen einführen“, fordert Herzer. Derzeit sei die Akzeptanz bei Unternehme­n gegenüber Granulaten nicht immer so hoch. Die von der EU geforderte­n Recyclingq­uoten stellen sowohl die heimische als auch die europäisch­e Müllindust­rie vor große Herausford­erungen, heißt es vom BMNT. Können die Quoten nicht erfüllt werden, könnten die gesammelte­n Produkte erneut ins Ausland gebracht werden, befürchtet Dupal. Statt in China landen sie dann auf einer Deponie in Osteuropa.

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Für die EU war es komfortabe­l, den Plastikmül­l nach China zu transporti­eren. Jetzt könnte man auf dem Müll sitzen bleiben.

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