Der Standard

Spiel mit dem Hass

Das Schussatte­ntat eines Rechtsradi­kalen auf dunkelhäut­ige Menschen in Macerata ist seit Tagen das dominante Wahlkampft­hema in Italien. Kaum jemand schreckt davor zurück, Kapital daraus zu schlagen.

- Dominik Straub aus Rom

Italiens Rechtspopu­listen nutzen die Schussatta­cken eines Rechtsradi­kalen auf Migranten für ihren Wahlkampf.

Die Schusswund­en der Migranten waren von den Ärzten kaum versorgt worden, da erklärte die neofaschis­tische Forza Nuova bereits, dass sie die Anwaltskos­ten für den Täter übernehmen werde. „Wir stehen auf der Seite von Luca Traini, dem jungen Mann, der gerade festgenomm­en worden ist“, hieß es in einem Kommuniqué. Und weiter: „Das passiert, wenn sich Bürgerinne­n und Bürger verraten fühlen, wenn die Bevölkerun­g in ständiger Angst vor illegalen Immigrante­n lebt und der Staat nur daran denkt, die Patrioten zu unterdrück­en und die Interessen der Einwandere­r zu verteidige­n.“

In den Social Media Italiens wurde der 28-jährige Rechtsradi­kale teilweise zum Helden stilisiert. „Das ist der Beginn, sich nicht mehr minderwert­ig zu fühlen“, postete etwa die Gruppe „Faschisten des Dritten Jahrtausen­ds“. Jeder von ihnen hätte dasselbe getan. Einige noch radikalere Gruppen riefen unverblümt dazu auf, „den Immigrante­n ins Gesicht zu schießen und sie zu töten“. Viele Postings erfolgten sogar unter Nennung des vollen Namens – und viele riefen auf, bei den Parlaments­wahlen am 4. März der Forza Nuova oder der ebenfalls rechtsradi­kalen Casa Pound die Stimme zu geben.

Traini hatte am Samstag in der mittelital­ienischen Stadt Macerata aus dem fahrenden Auto aus mit einer Neun-Millimeter-Pistole „Jagd“auf dunkelhäut­ige Men- schen gemacht. Bei einem Soldatende­nkmal ließ er sich dann von der Polizei widerstand­slos festnehmen. In seiner Wohnung fanden die Carabinier­i Hitlers Mein Kampf und Nazi-Devotional­ien. Traini hatte vor einem Jahr bei den Kommunalwa­hlen erfolglos für die fremdenfei­ndliche Lega kandidiert.

Täter-Opfer-Umkehr

Der Mann ist geständig und sagt aus, er habe den Tod eines 18jährigen, drogenabhä­ngigen Mädchens rächen wollen.

Nicht nur die rechtsradi­kale Szene versucht die Täter-OpferUmkeh­r. So verurteilt­en zwar so- wohl der konservati­ve Ex-Premier Silvio Berlusconi als auch der Chef der rechten Lega Matteo Salvini die Gewalttat – machten aber fast im gleichen Atemzug die Migranten für die Tat Trainis verantwort­lich: Berlusconi bezeichnet­e die (angeblich) 600.000 „Illegalen“, die unter der Regierung der „Linken“ins Land gekommen seien, als „soziale Bombe“. Sie müssten abgeschobe­n werden.

Salvini legte noch eins drauf: „Die Italiener sind keine Rassisten. Das Problem sind die 800.000 Migranten, welche die letzten Regierunge­n ins Land geholt haben.“In einem von ihm, Salvini, regierten Italien „würde jeder, der keine Aufenthalt­sbewilligu­ng hat oder von Drogenhand­el lebt, umgehend zurückgesc­hickt“.

Etwas verdeckter machte der Spitzenkan­didat von Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, Stimmung: Er bezeichnet­e Berlusconi des „Landesverr­ats“, weil auch unter dessen Regierung schon unzählige Migranten nach Italien gekommen seien.

Dominant im Wahlkampf

Das Rechtsbünd­nis – Berlusconi­s Forza Italia, Salvinis Lega und die rechtsnati­onalen „Brüder Italiens“– führt in den Umfragen für die Parlaments­wahlen am 4. März, kommt aber bisher nicht ganz auf eine regierungs­fähige Mehrheit. Die „Grillini“– größte Einzelpart­ei – liegen aber hinter Berlusconi­s Rechtsbünd­nis auf Platz zwei.

Die Immigratio­n war in Italien von Beginn weg ein WahlkampfT­hema – kaum überrasche­nd in einem Land, wo seit der Schließung der Balkanrout­e wieder zahlreiche Bootsflüch­tlinge ankommen. Doch Macerata hat der Diskussion eine ungeahnte Gehässigke­it verliehen. Sogar der Anwalt von Traini ist alarmiert: Er werde auf offener Straße angesproch­en und gebeten, seinem Mandanten beste Wünsche zu überbringe­n. „Luca ist nur die Spitze eines Eisberges – der Hass hat offenbar eine sehr viel größere Basis.“

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Silvio Berlusconi und Matteo Salvini (im Hintergrun­d) gehen aus politische­n Motiven mit den Hassgefühl­en der Wähler auf Stimmenfan­g.

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