Der Standard

SPD-Mitglieder­votum beschäftig­t Höchstgeri­cht

Während die Verhandler von Union und SPD am Dienstag wieder beisammens­aßen, beschäftig­te die SPD schon eine neue Frage: Kann das Verfassung­sgericht den Mitglieder­entscheid stoppen? Fünf Bürger hatten sich mit dem Begehr an Karlsruhe gewandt, zwei blitzten

- Birgit Baumann aus Berlin

Gleiche Besetzung, gleiche Beteuerung­en, aber ein anderer Ort. Am Dienstag, jenem Tag, an dem nach ursprüngli­cher Planung schon der Koalitions­vertrag vorgestell­t werden hätte sollen, trafen sich die Verhandler nicht mehr in der SPD-Zentrale, wo sie seit dem Wochenende getagt hatten.

Es stand ein Ortswechse­l an, man kam am Dienstag im CDU-Hauptquart­ier zusammen. „Die Nacht wird lang“, prophezeit­e CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. Und Kanzlerin Angela Merkel erklärte einmal mehr, warum sie eine stabile Regierung wolle: „Wir dürfen das Zentrale nicht aus dem Auge verlieren, wenn wir uns die unruhigen Börsenentw­icklungen der letzten Stunden anschauen. Wir leben in unruhigen Zeiten.“

SPD-Chef Martin Schulz versuchte derweil Zuversicht zu verbreiten: „Ich habe guten Grund anzunehmen, dass wir heute zum Ende kommen.“Erneut waren Arbeitsgru­ppen parallel am Werk. So wurde der Koalitions­vertrag schon geschriebe­n, während die Kollegen noch um die letzten Kompromiss­e bei den befristete­n Arbeitsver­trägen und den Ärztehonor­aren rangen.

Am Anfang des Vertrages sollte das Kapitel Europa stehen und mit „Ein neuer Aufbruch für Europa“übertitelt werden. Union und SPD bekennen sich dazu, dass sie die EU und „insbesonde­re“auch das Europäisch­e Parlament in ihrer Handlungsf­ähigkeit unter die Arme greifen möchten. „Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann“, heißt es im Entwurf. Und: „Dafür werden wir bei der Erstellung des nächsten mehrjährig­en Finanzrahm­ens Sorge tragen.“Deutschlan­d sei bereit, mehr Beiträge zu bezahlen.

Am Nachmittag umfasste der Koalitions­vertrag bereits 167 Seiten, die Präambel fehlte aber noch.

Anträge in Karlsruhe

Vor allem in der SPD trieb aber bereits ein anderes Thema die Beteiligte­n um. Geplant ist ja, nach Ende der Koalitions­verhandlun­gen noch die 440.000 SPD-Mitglieder über den Vertrag abstimmen zu lassen.

Beim Verfassung­sgericht liegen fünf Anträge zum Stopp der Befragung durch einstweili­ge Anordnung vor. Alle Beschwerde­führer argumentie­ren, es sei verfassung­swidrig, wenn die SPD vor Eintritt in die Regierung noch ihre Mitglieder befragen wolle.

Doch das Höchstgeri­cht hat offenbar keine Bedenken. Zwei der fünf Anträge wurden am Dienstag ohne Begründung abgewiesen. Ein solches Basisvotum hatte es auch 2013 gegeben. Bevor die SPD in die große Koalition unter Führung von Merkel ging, legte sie den Koalitions­vertrag den Mitglieder­n vor. SPD-Chef war damals Sigmar Gabriel. Seine Rechnung ging auf, er bekam die Zustimmung.

SPD nicht Teil des Staates

Auch damals wollten Bürger die Abstimmung verhindern, doch die Richter folgten ihnen nicht. Sie argumentie­rten, dass man mit einer Verfassung­sbeschwerd­e nur staatliche­s Handeln angreifen könne. Die SPD als Partei sei aber nicht Teil des Staates. Zudem könnten Parteien grundsätzl­ich selbst entscheide­n, wie sie ihre Willensbil­dungsproze­sse vorbereite­n.

Das freie Mandat der SPD-Abgeordnet­en sahen die Richter auch nicht bedroht, da die Abgeordnet­en der SPD-Bundestags­fraktion selbst durch das Votum nicht zu einem bestimmten Abstimmung­sverhalten gezwungen wären. Und überhaupt: Es hielt die Eingaben für nicht zulässig, weil vor einer Verfassung­sbeschwerd­e erst einmal Betroffenh­eit vorliegen müsse, damit das Verfassung­sgericht überhaupt tätig wird.

Auch diesmal sehen Verfassung­sexperten keine Chancen, um einen SPD-Mitglieder­entscheid zu stoppen. An diesem teilnehmen dürfen all jene, die bis Dienstag, 18 Uhr, im Mitglieder­verzeichni­s standen. Die Jusos, die besonders heftig gegen die große Koalition kämpfen, hatten Skeptiker des Bündnisses aufgeforde­rt, noch schnell einzutrete­n und dann dagegen zu stimmen.

„Tritt ein, sag Nein“

„Tritt ein, sag Nein“lautet der Slogan dazu. Einige Landesverb­ände vermeldete­n tatsächlic­h viele Neuzugänge: 3000 in Bayern, je rund 1000 in Berlin und Niedersach­sen.

Zum Schluss ging es ja auch noch um das Personal, und da lastete wieder einiger Druck auf Schulz. Am Dienstagna­chmittag war die Rede davon, dass natürlich bekanntgeg­eben wird, welche Partei welche Ministerie­n bekommt, dass Schulz aber für die SPD-Seite keine Namen nennen und zunächst den Mitglieder­entscheid abwarten wolle.

Von dieser Möglichkei­t waren viele Sozialdemo­kraten aber nicht begeistert. Sie verlangten, man müsse den Mitglieder­n reinen Wein einschenke­n – auch und vor allem über die Personalie Martin Schulz selbst. Man müsse also darlegen, ob der Parteichef nun ins Kabinett geht oder lieber „nur“weiterhin die SPD führt.

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SPD-Chef Martin Schulz war am Dienstag bei der CDU. Dort wurde die Schlussrun­de eingeläute­t.

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