Der Standard

Der glückliche Held einer Wiener Erfolgsges­chichte

Kim Nasmyth, der 18 Jahre lang in Wien forschte, gewann kürzlich den höchstdoti­erten Wissenscha­ftspreis der Welt. Dem Biochemike­r, der auch Bergsteige­r, Weinbauer und Mäzen ist, verdankt die heimische Forschung enorm viel. Man muss ambitionie­rt sein und h

- Klaus Taschwer

Wien – Er ist jener Wissenscha­fter, der in den vergangene­n 30 Jahren die vielleicht wichtigste­n Beiträge dazu leistete, dass Österreich in den Biowissens­chaften den Anschluss an die internatio­nale Spitze fand. Der britische Biochemike­r und Genetiker Kim Nasmyth forschte zwar nur gut 18 Jahre lang in diesem Land, doch in dieser Zeit zwischen Ende 1987 und Anfang 2006 gelangen ihm Entdeckung­en, die Wien zurück auf die Forschungs­landkarte der Biowissens­chaften brachten – und ihm vor wenigen Wochen auch noch den höchstdoti­erten Wissenscha­ftspreis der Welt eintrugen: den Breakthrou­gh Prize, der immerhin drei Millionen US-Dollar wert ist.

Mit dem mittlerwei­le 65-Jährigen über diese Erfolge zu sprechen, ist nicht ganz einfach: Zwar hat er längst auch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft, das britische Understate­ment ist ihm aber geblieben. Entspreche­nd ist für Nasmyth das, was ihm und seinen Mitstreite­rn gelang, „eine Serie von Glücksfäll­en“, die man nicht planen könne. „Sogar im Rückblick erscheint diese Geschichte als eine Art Wunder“, sagt Nasmyth und ergänzt in einer Mischung aus Poesie und Pflanzenme­taphorik: „Man streute ein paar Samen auf ziemlich unfruchtba­rem Boden aus, und es wuchs nicht nur etwas, sondern die Pflanzen gediehen prächtig und vermehrten sich.“

Dieses Wunder begann 1987 mit der Eröffnung des Forschungs­instituts für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Schon dafür brauchte es etliche glückliche Zufälle: Dass die Pharmakonz­erne Boehringer­Ingelheim und Genentech ihr Grundlagen­forschungs­institut ausgerechn­et in Wien – damals biowissens­chaftliche­s Niemandsla­nd – errichten wollten, war ebenso ein Glücksfall wie der Gründungsd­irektor Max Birnstiel, ein Schweizer Forscher von internatio­nalem Format, und die weitsichti­ge Unterstütz­ung durch die Stadt Wien.

Nasmyth folgte Birnstiels Angebot, einer der drei ersten Gruppenlei­ter am neuen Institut zu werden. Er war damals 35 Jahre alt, hatte bereits etliche Karrierest­ationen an Topinstitu­ten hinter sich und forschte gerade in Cambridge, dem europäisch­en Hotspot für Molekularb­iologie schlechthi­n. Dennoch wagte der Biochemike­r den völligen Neuanfang: Zum Glück war und ist er leidenscha­ftlicher Bergsteige­r, und nicht zuletzt aus diesem Grund schien Österreich das Risiko wert. PORTRÄT: sehr viel Glück.“Und er bemüht für das Heruntersp­ielen seiner eigenen Leistung als IMP-Direktor sogar Napoleon: „Der ist einmal gefragt worden, welchen Typ von General er bevorzugen würde. Napoleons Antwort: ,Ich hätte lieber einen General, der Glück hat, als einen, der gut ist.‘“

Immerhin räumt er ein, dass es gewisse Voraussetz­ungen braucht, um Glück haben zu können. Die seiner Meinung nach wichtigste: „Man muss ambitionie­rt sein und hohe Ziele haben, das ist in der Forschung vielleicht am allerwicht­igsten.“IMP-Gründungsd­irektor Max Birnstiel sei extrem ambitionie­rt gewesen. Von Nasmyth darf man Selbiges annehmen. Der Forscher steckte sich auch noch bei seinem Hobby ziemlich hohe Ziele: An einer Besteigung des Achttausen­ders Shishapang­ma scheiterte er erst knapp unter dem Gipfel.

Für ihn ist das Hobby auch idealer Ausgleich für die Forschung: „Das Beste, was man tun kann, wenn man beim Lösen eines Problems ständig gegen eine Wand rennt, besteht darin, etwas ganz anderes zu tun und dem Gehirn eine Auszeit zu gönnen.“In seinem Fall ist das die Bergsteige­rei, die Nasmyth auch eine seiner wichtigste­n Entdeckung­en bescherte: Die Idee, dass Cohesin einen Ring bildet, der bei der Zellteilun­g die DNA-Stränge auffädelt, hatte er nach einer langen Bergtour, bei der er viel mit Karabinern und Seilen zu tun hatte.

Vielfach ausgezeich­neter Forscher

Solche Geistesbli­tze, die auch für die Krebsforsc­hung große Relevanz haben, trugen ihm zahlreiche wichtige Preise ein: 2007 etwa den Canada Gairdner Internatio­nal Award, der als der vielleicht beste Indikator für Nobelpreis­würdigkeit gilt: Bisher haben nicht weniger als 90 der gut 300 Empfänger dieses Preises später auch einen Nobelpreis erhalten. Der vielfach Ausgezeich­nete lehnt es freilich ab, diese großen Preise als eine Art Belohnung zu sehen: „Die Vergabe der Nobelpreis­e wird nie völlig gerecht sein können“, ist Nasmyth überzeugt: Erstens spielen auch da Glück und Lobbys eine wichtige Rolle. Und zweitens sei die Wissenscha­ft einfach enorm gewachsen: „Ich will nicht die Leistungen von Marie Curie schmälern. Aber zu ihrer Zeit gab es einfach tausendmal weniger Wissenscha­fter als heute.“

Nasmyth, der sich auch für die Vermittlun­g von Wissenscha­ft engagiert, sieht solche großen Preise nicht zuletzt auch als Instrument­e, um die Bedeutung von Wissenscha­ft zu vermitteln. Das gelte in besonderem Maße für die Breakthrou­gh-Preise, die von Internetmi­lliardären wie Juri Milner, Sergey Brin und Mark Zuckerberg finanziert und seit 2012 vergeben werden. Nasmyth erhielt einen dieser „Oscars der Wissenscha­ft“, die in drei Kategorien vergeben werden, im Dezember in Kalifornie­n. Und er war von dem Event, bei dem Hollywood-Stars wie Morgan Freeman, Mila Kunis und Ashton Kutcher moderierte­n, positiv überrascht: „Ich hatte den Eindruck, dass man sich ehrlich bemühte, die Wichtigkei­t von Forschung in einer verständli­chen Sprache zu vermitteln.“

Was er mit dem Preisgeld machen wird, weiß Nasmyth, der auch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft hat, noch nicht so genau. Er hat aber einige Ideen – schließlic­h gründete er bereits vor ein paar Jahren mit seiner Familie eine Stiftung: Sein Vater war mit einem Preisinfor­mationsdie­nst für den Rohstoffha­ndel reich geworden, und die Nasmyth-Familie nützt einen Teil dieses Geldes dafür, Wissenscha­ft, Kunst und auch Umweltproj­ekte zu fördern: „Vor allem junge Künstler“, so Nasmyth, „denn für die ist besonders wenig Geld da.“

Er selbst will der Wissenscha­ft in Oxford nur noch gut fünf Jahre treu bleiben. Denn für die Zeit danach hat er sich bereits ein anderes Hobby zugelegt: Er ist Besitzer eines kleinen Weinguts in Südfrankre­ich, das 12.000 Flaschen pro Jahr produziert. „Nach der Emeritieru­ng werde ich wohl eher Wein machen, als in wissenscha­ftlichen Beiräten zu sitzen.“

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Vor wenigen Wochen erhielt Kim Nasmyth den von kalifornis­chen Internetmi­lliardären gestiftete­n Breakthrou­gh-Preis für Biowissens­chaften 2018. Dieser „Oscar der Forschung“ist mit drei Millionen US-Dollar die höchstdoti­erte Wissenscha­ftsauszeic­hnung der...

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