Der Standard

Lohn- Signal der deutschen Metaller

Der Tarifstrei­t der deutschen Metallindu­strie ist beendet. Verhandler einigten sich auf 4,3 Prozent mehr Lohn über zwei Jahre und flexiblere Arbeitszei­ten. Ein Abschluss mit Signalwirk­ung über die Landesgren­zen.

- Leopold Stefan

Wien – Nach sechs Verhandlun­gsrunden und dem ersten ganztägige­n Warnstreik in der Geschichte des größten deutschen Industriez­weigs ist der Tarifstrei­t der Metaller beendet. Die Gewerkscha­ft IG Metall und die Arbeitgebe­rverbände der Metall- und Elektroind­ustrie haben sich nach finalen 13 Stunden am Verhandlun­gstisch in der Nacht auf Dienstag auf mehr Lohn und flexiblere Arbeitszei­ten geeinigt.

Der erzielte Abschluss über zwei Jahre mit einem Lohnplus von 4,3 Prozent für die maßgeben- de Region Baden-Württember­g, soll in den wichtigste­n Punkten von den anderen Bezirken für knapp 3,9 Millionen Beschäftig­te übernommen werden.

Die Verhandlun­gen fanden in einem konjunktur­ell günstigen Klima statt. Die deutsche Wirtschaft soll laut Ifo-Institut 2018 um 2,6 Prozent wachsen und angesichts voller Auftragsbü­cher soll die Industrie fast sechs Prozent mehr in Ausrüstung­en stecken, also auf Langzeitin­vestitione­n setzen. Im Fokus der Verhandler stand nicht nur der Lohn- zettel, sondern auch die WorkLife-Balance der Beschäftig­ten und die Bedürfniss­e der Betriebe angesichts der vollen Auftragsbü­cher. Das Ergebnis im Detail:

Mehr Lohn Der Tarifvertr­ag läuft über 27 Monate. Bis inklusive März des laufenden Jahres wird ein Pauschalbe­trag von 100 Euro pro Person ausgezahlt, Lehrlinge erhalten 70 Euro. Ab 1. April greift die Erhöhung von 4,3 Prozent. Ab 2019 gibt es dann eine Einmalzahl­ung von 400 Euro plus 27,5 Prozent des Monatsentg­elts. Dieser ist allerdings nicht in Stein gemei- ßelt. Läuft es für ein Unternehme­n wirtschaft­lich schlecht, darf die Auszahlung der 400 Euro verschoben oder sogar gestrichen werden.

Kürzer arbeiten Beschäftig­te der deutschen Metallindu­strie haben ab 2019 Anspruch darauf, ihre Arbeitszei­t zwischen sechs Monaten und einem Jahr von 35 auf bis zu 28 Wochenstun­den zu verkürzen, mit Rückkehrre­cht. Zusätzlich­e freie Tage soll es für Kinderbetr­euung, Pflege sowie für Schichtarb­eiter geben. Die Unternehme­n können dies jedoch bei Schlüssela­rbeitskräf­ten ablehnen.

Länger arbeiten Damit Auftragssp­itzen bedient werden können, dürfen künftig mehr Mitarbeite­r als bisher möglich bis zu 40 statt den normalen 35 Stunden pro Woche arbeiten. Bisher ist das, je nach Region, auf 13 bis 18 Prozent der Beschäftig­ten begrenzt. Diese Quote wird künftig auf das Arbeitszei­tvolumen umgelegt – so kann beispielsw­eise eine Halbzeitkr­aft den Weg für drei Mitarbeite­r mit jeweils fünf Stunden mehr freimachen. Der Betriebsra­t behält dabei ein Einspruchs­recht.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann betonte, dass der Abschluss den Beschäftig­ten eine bessere Vereinbark­eit von Beruf und Privatlebe­n ermögliche. Die Zeit gehöre nicht mehr allein den Arbeitgebe­rn. „Flexibilis­ierung in den Betrieben ist keine Einbahnstr­aße mehr“, sagte Hofmann. Industriev­ertreter wie Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer loben vor allem die gute Planbarkei­t dank der langen Laufzeit des Tarifvertr­ags. Den Lohnabschl­uss erachten beide Seiten – wie üblich – als gerade noch vertretbar.

Signalwirk­ung für Europa

Aus österreich­ischer Sicht wirkt der deutsche Lohnabschl­uss von 4,3 Prozent über zwei Jahre im Vergleich zu dem heimischen Plus bei den Metallern von drei Prozent in einem Jahr mager. Aber der erste Eindruck trügt. Rechnet man mit der sogenannte­n Westrick-Formel von zwei Jahren auf zwölf Monate um, erhält man eine jährliche Steigerung von 2,87 Prozent.

Außerdem gelte es zu bedenken, dass die Inflation in Deutschlan­d in den letzten Jahren rund einen halben Prozentpun­kt über der Teuerung in Österreich lag, erklärt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS). Laut Prognosen soll die Inflation auch in den kommenden Jahren hierzuland­e stärker ausfallen. Auch die heimische Wirtschaft soll mit 2,7 Prozent laut IHS stärker wachsen als beim nördlichen Nachbarn.

Positiv dürfte der Abschluss auch von der Europäisch­en Zentralban­k gewertet werden. Schließlic­h besteht Hoffnung, dass die wegweisend­e Tariferhöh­ung in der Metallindu­strie die LohnPreis-Spirale in der größten EUVolkswir­tschaft in Gang setzt. Der EZB war es trotz stark expansiver Geldpoliti­k nicht gelungen, die Inflation der Eurozone auf den Zielwert von knapp unter zwei Prozent zu heben. Heuer stehen in Deutschlan­d noch Verhandlun­gen im öffentlich­en Dienst, der Chemie-Industrie, dem Bauhauptge­werbe sowie bei Post, Bahn und Telekom an. Auch VW richtet sich nach dem Metallabsc­hluss.

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Deutsche Metallarbe­iter erhalten bald mehr Lohn.

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