Der Standard

Eine neue Tennis-Hoffnung

Lenny Hampel spielt gut Tennis. Der 21-jährige Wiener ist Staatsmeis­ter und arbeitet am Durchbruch zur Weltspitze. In Österreich ist der Tennis-Hype für junge Spieler Fluch und Segen zugleich.

- Andreas Hagenauer

Wien – Wien-Hütteldorf ist nicht Wimbledon. Um den Bahnhof ist es zur Winterzeit schon früh schummrig. Rechts liegt Rapids Allianz-Stadion, links führt der Weg an Graffitis vorbei durch einen spärlich beleuchtet­en Park. Überrasche­nd ist da das Bild nach dem Betreten des Tennisclub­s Colony. Die Gartenmöbe­l sind schick, die Glaswand zwischen Restaurant und Tennisplät­zen blitzblank geputzt. An zwei Tischen gönnen sich Mittvierzi­ger gekühlten Veltliner und Prosecco. Die Tennistasc­hen stehen nebenan. Verrauchte­s Kantinenfe­eling gibt es im Club Colony nicht, hier ist mehr Wimbledon als WienHüttel­dorf.

Lenny Hampel passt da nicht unmittelba­r in die bürgerlich­e Tennisoase. Der 21-Jährige hat den Kapuzenpul­li weit über den Kopf gezogen, die Locken schwindeln sich vereinzelt ins Gesicht. Im Club Colony schindet er Kondition. Schweißper­len zeigen, dass das Pumpen anstrengen­d war. Nachschwit­zen nennt man das. Die körperlich­en Voraussetz­ungen passen: 188 Zentimeter sind eine Paradekörp­ergröße im Tennis, beide Oberarme sind stark austrainie­rt. Tennis-Ärmel könnte man das nennen. „Mir macht es einfach wahnsinnig Spaß, ich könnte den ganzen Tag auf dem Platz stehen.“Der Wiener lächelt und wischt sich die lästigen Schweißper­len von der Stirn.

Dass zum Spaß Ernst gekommen ist, hat sich Hampel selbst zuzuschrei­ben. Der Weg zum Profi war unkonventi­onell, profession­ellen Sportbackg­round gibt es keinen: „Ich war als Kind extrem hyperaktiv, deshalb steckten mich meine Eltern in den Tennisvere­in. Die Trainerin sagte, ich hätte Talent.“Tennis wurde von der Beschäftig­ungstherap­ie zur Leidenscha­ft, schon mit sieben Jahren wollte er „nichts anderes machen als Tennis spielen“. Plan B wäre ein Psychologi­estudium.

Spielerisc­h beschreibt sich Hampel als „sehr aggressive­r Grundlinie­nspieler“. Auf Sand fühlt er sich am wohlsten, die Rückhand ist einhändig, die Vorhand druckvoll. Der Rechtshänd­er ist die Nummer 368 der Weltrangli­ste, in Österreich damit die Nummer sieben. 2017 war für Hampel ein Tennisjahr auf der Achterbahn. In Heraklion gewann er sein erstes Future-Turnier, zwei weitere folgten. Im Juni wurde Hampel Staatsmeis­ter. Zwei Medaillen-Seiten hatte die Entscheidu­ng, die Challenger-Tour in Südamerika zu spielen: Er nahm keinen einzigen ATP-Punkt mit. Dafür aber Erfahrunge­n: „Die Enttäuschu­ng war im ersten Moment groß. Im Endeffekt zählt aber die Erfahrung. Es fehlt nicht viel.“

Das Zauberwort lautet Konstanz. „Es bringt nichts, wenn fünf Servicegam­es perfekt sind und dann bei 5:5 alles irgendwohi­n geht“, sagt Hampel. Trainiert wird bei Martin Gattringer und Michael Oberleitne­r, das Umfeld sei „perfekt“. Neben Talent und Training – Hampel schuftet jeden Tag mindesten fünf Stunden – braucht der Tennisprof­i ein volles Konto: „Hotels, Flüge, Trainer und Equipment sind zu bezahlen. Ich kenne Spieler, die in drei oder vier Ländern Bundesliga spielen“, sagt Hampel. Seine Eltern unterstütz­en ihn. Hampels Mutter ist in Kamerun geboren und arbeitet als Beauty-Consultant, der Vater ist pensionier­ter Manager.

Wetten und David Ferrer

Mit Vorurteile­n und Diskrimini­erung wurde er nur selten konfrontie­rt: „Ein Spieler hat einmal etwas gesagt, aber der ist einfach ein Idiot.“Schwierige­r wird es virtuell: „Wenn man einmal in den Top 500 ist, wird auf dich gewettet.“Über soziale Medien bekomme man den Frust zu spüren. Der Tennis-Hype in Österreich ist Fluch und Segen. Steigt das Interesse, hebt das den Druck. Hampel nimmt ihn sich selbst: „Ich werde oft auf Dominic Thiem angesproch­en und gefragt, wie es bei mir läuft. Karrieren verlaufen aber unterschie­dlich.“Das mittelfris­tige Ziel sind die Top 100, wann der Knopf aufgeht, sei nicht so wichtig. Als Vorbild dient nicht unbedingt der schillerns­te Stern am Tennishimm­el: „Alle wollen wie Federer spielen, aber auf dem Platz möchte ich so auftreten wie David Ferrer.“

Im Club Colony werden die Plätze abgezogen und die Veltlinerf­laschen wärmer. Das erste Viertel des Tennisjahr­es ist für junge Spieler hart, die wenigen Turniere stark besetzt. Hampel startete nicht nach Wunsch. Die Futures in der Türkei waren trotz guter Setzung schnell vorbei, die Quali zum Challenger in Budapest auch. In Südamerika soll es einen neuen Anlauf geben – dieses Mal mit Punkten im Gepäck.

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Lenny Hampel hat Schwung und eine starke Vorhand. Das mittelfris­tige Ziel sind die Top 100.

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