Eine neue Tennis-Hoffnung
Lenny Hampel spielt gut Tennis. Der 21-jährige Wiener ist Staatsmeister und arbeitet am Durchbruch zur Weltspitze. In Österreich ist der Tennis-Hype für junge Spieler Fluch und Segen zugleich.
Wien – Wien-Hütteldorf ist nicht Wimbledon. Um den Bahnhof ist es zur Winterzeit schon früh schummrig. Rechts liegt Rapids Allianz-Stadion, links führt der Weg an Graffitis vorbei durch einen spärlich beleuchteten Park. Überraschend ist da das Bild nach dem Betreten des Tennisclubs Colony. Die Gartenmöbel sind schick, die Glaswand zwischen Restaurant und Tennisplätzen blitzblank geputzt. An zwei Tischen gönnen sich Mittvierziger gekühlten Veltliner und Prosecco. Die Tennistaschen stehen nebenan. Verrauchtes Kantinenfeeling gibt es im Club Colony nicht, hier ist mehr Wimbledon als WienHütteldorf.
Lenny Hampel passt da nicht unmittelbar in die bürgerliche Tennisoase. Der 21-Jährige hat den Kapuzenpulli weit über den Kopf gezogen, die Locken schwindeln sich vereinzelt ins Gesicht. Im Club Colony schindet er Kondition. Schweißperlen zeigen, dass das Pumpen anstrengend war. Nachschwitzen nennt man das. Die körperlichen Voraussetzungen passen: 188 Zentimeter sind eine Paradekörpergröße im Tennis, beide Oberarme sind stark austrainiert. Tennis-Ärmel könnte man das nennen. „Mir macht es einfach wahnsinnig Spaß, ich könnte den ganzen Tag auf dem Platz stehen.“Der Wiener lächelt und wischt sich die lästigen Schweißperlen von der Stirn.
Dass zum Spaß Ernst gekommen ist, hat sich Hampel selbst zuzuschreiben. Der Weg zum Profi war unkonventionell, professionellen Sportbackground gibt es keinen: „Ich war als Kind extrem hyperaktiv, deshalb steckten mich meine Eltern in den Tennisverein. Die Trainerin sagte, ich hätte Talent.“Tennis wurde von der Beschäftigungstherapie zur Leidenschaft, schon mit sieben Jahren wollte er „nichts anderes machen als Tennis spielen“. Plan B wäre ein Psychologiestudium.
Spielerisch beschreibt sich Hampel als „sehr aggressiver Grundlinienspieler“. Auf Sand fühlt er sich am wohlsten, die Rückhand ist einhändig, die Vorhand druckvoll. Der Rechtshänder ist die Nummer 368 der Weltrangliste, in Österreich damit die Nummer sieben. 2017 war für Hampel ein Tennisjahr auf der Achterbahn. In Heraklion gewann er sein erstes Future-Turnier, zwei weitere folgten. Im Juni wurde Hampel Staatsmeister. Zwei Medaillen-Seiten hatte die Entscheidung, die Challenger-Tour in Südamerika zu spielen: Er nahm keinen einzigen ATP-Punkt mit. Dafür aber Erfahrungen: „Die Enttäuschung war im ersten Moment groß. Im Endeffekt zählt aber die Erfahrung. Es fehlt nicht viel.“
Das Zauberwort lautet Konstanz. „Es bringt nichts, wenn fünf Servicegames perfekt sind und dann bei 5:5 alles irgendwohin geht“, sagt Hampel. Trainiert wird bei Martin Gattringer und Michael Oberleitner, das Umfeld sei „perfekt“. Neben Talent und Training – Hampel schuftet jeden Tag mindesten fünf Stunden – braucht der Tennisprofi ein volles Konto: „Hotels, Flüge, Trainer und Equipment sind zu bezahlen. Ich kenne Spieler, die in drei oder vier Ländern Bundesliga spielen“, sagt Hampel. Seine Eltern unterstützen ihn. Hampels Mutter ist in Kamerun geboren und arbeitet als Beauty-Consultant, der Vater ist pensionierter Manager.
Wetten und David Ferrer
Mit Vorurteilen und Diskriminierung wurde er nur selten konfrontiert: „Ein Spieler hat einmal etwas gesagt, aber der ist einfach ein Idiot.“Schwieriger wird es virtuell: „Wenn man einmal in den Top 500 ist, wird auf dich gewettet.“Über soziale Medien bekomme man den Frust zu spüren. Der Tennis-Hype in Österreich ist Fluch und Segen. Steigt das Interesse, hebt das den Druck. Hampel nimmt ihn sich selbst: „Ich werde oft auf Dominic Thiem angesprochen und gefragt, wie es bei mir läuft. Karrieren verlaufen aber unterschiedlich.“Das mittelfristige Ziel sind die Top 100, wann der Knopf aufgeht, sei nicht so wichtig. Als Vorbild dient nicht unbedingt der schillernste Stern am Tennishimmel: „Alle wollen wie Federer spielen, aber auf dem Platz möchte ich so auftreten wie David Ferrer.“
Im Club Colony werden die Plätze abgezogen und die Veltlinerflaschen wärmer. Das erste Viertel des Tennisjahres ist für junge Spieler hart, die wenigen Turniere stark besetzt. Hampel startete nicht nach Wunsch. Die Futures in der Türkei waren trotz guter Setzung schnell vorbei, die Quali zum Challenger in Budapest auch. In Südamerika soll es einen neuen Anlauf geben – dieses Mal mit Punkten im Gepäck.