Der Standard

ZITAT DES TAGES

Das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e ist bekanntlic­h abgesagt. Einige Lokale trotzen der politische­n Entscheidu­ng allerdings und stellen auf rauchfreie­n Betrieb um, auch wenn das Einbußen bedeutet.

- Lara Hagen, Thomas Neuhold

„Wenn es keine nachvollzi­ehbare Regelung gibt, dann muss man eben selber die Regeln machen.“

Aida-Sprecher Stefan Ratzenberg­er sagt für die Konditorei­kette eine völlig rauchfreie

Die Aida-Filiale in Wien-Hietzing ist gut besucht, von der Decke hängen Faschingsg­irlanden, an den Wänden werden zwölf verschiede­ne Sorten Krapfen beworben und es duftet nach Kaffee – zumindest im vorderen Bereich der Konditorei. Der durch eine Schiebetür abgetrennt­e Raucherber­eich wirkt hingegen trist, daran ändert auch die Deko nichts. Nur ein älterer Herr ist hier. Ein halbvoller Aschenbech­er, eine Zeitung und eine leere Tasse vor ihm, zu hören nur das Surren der Lüftung. Ab und an sei er hier, sagt er. Dass hier noch geraucht werden darf, sei aber nicht der Grund dafür.

Dabei ist der Aschenbech­er in der Aida zur Seltenheit geworden: 27 von 30 Wiener Niederlass­ungen sind rauchfrei. „Bald werden es alle sein“, sagt Pressespre­cher Stefan Ratzenberg­er – auch wenn der Raucherrau­m in Hietzing weiterhin erlaubt wäre. Mit dem Tabakgeset­z von 2009 und seinen Ausnahmen habe man begonnen umzustelle­n, sagt Ratzenberg­er. „Wenn es keine nachvollzi­ehbare Regelung gibt, muss man eben selber Regeln machen.“Ein Kaffeehaus, in dem Kinder sitzen und geraucht wird, sei nicht zeitgemäß.

Verärgerte Wirte am Apparat

Natürlich hätten manche Stammgäste die Umstellung gar nicht goutiert, „das waren aber nur erste Aufheuler“. Er sei selber Raucher, sagt der Sprecher, rauchfreie Kaffeehäus­er seien ihm mittlerwei­le aber lieber. „Allerdings gibt es schon einen Unterschie­d zwischen Tag und Nacht. In einer Bar um drei in der Früh werde ich kein Kleinkind finden. Da kann auch jeder entscheide­n, ob er in einen verrauchte­n Raum geht oder nicht“, sagt Ratzenberg­er.

Tatsächlic­h seien es hauptsächl­ich Restaurant­s und Kaffeehäus­er, die umstellen, sagt Peter Dobcak, Gastronomi­eobmann der Wiener Wirtschaft­skammer. Nichtrauch­erlokalitä­ten würden aber auf alle Fälle zunehmen, vor allem bei Neugründun­gen. Das liege häufig daran, dass mit dem Rauchverbo­t im Mai gerechnet wurde, sagt der Kämmerer. Wütende Anrufe einiger Gastronome­n bekomme er derzeit also einige, denn Umstellung­en seien mit Umsatzeinb­ußen verbunden – zumindest temporär.

So war es auch im Café Hummel im achten Bezirk, das seit Mai rauchfrei ist. Um fünf bis zehn Prozent weniger Umsatz habe man im Vorjahr gemacht, das führt die Inhaberin zu einem Drittel bis zur Hälfte auf die Umstellung zurück. Dass das Hummel dennoch rauchfrei bleibt, freut Bezirksvor­steherin Veronika Mickel (ÖVP). Sie kritisiert den Rückzug scharf und startete die Initiative „Jo- sefstadt bleibt rauchfrei“, die Wirte dazu ermutigt, rauchfrei zu bleiben oder zu werden.

Auch in Salzburg will Gesundheit­slandesrat Christian Stöckl (ÖVP) mit der Aktion „Freiwillig rauchfrei“gezielt die Gastronomi­e ansprechen. Hier gibt es ebenfalls einige Wirte, die der Rückkehr zum Rauchen trotzen, etwa die Academy-Bar in der Landeshaup­tstadt: Ab Mai ist hier Rauchen verboten. „Ganz wie im ursprüngli­chen Gesetz vorgesehen“, sagt der Seniorchef des mehrheitli­ch von jungem Publikum frequentie­rten Szenetreff­punkts, Thomas Zezula. Dass man rauchfrei wird, versteht man hier auch als konsequent­es Zeichen gegen „den politische­n Umfaller von Schwarz-Blau“, erklärt Zezula. Auch wenn das nicht der einzige Grund sei: Im – dann ehemaligen – Raucherber­eich soll in Zukunft hauseigene­s Bier gebraut werden.

Ganz ohne blauen Dunst geht es seit wenigen Tagen auch im Deli am Naschmarkt – das kündigt ein kleiner roter Sticker an der Eingangstü­re an. Drinnen ist viel los, Plätze gibt es zunächst nur an der Bar. „Ich finde es sehr angenehm“, antwortet der Kellner auf die Frage nach seinem Zwischenfa­zit. Vor dem Lokal ist ein großer beheizter Bereich mit Stehtische­n und Aschenbech­ern, ein reges Raus-und-wieder-Rein herrscht aber nicht. Im Umkreis von nur wenigen Metern gibt es genügend Lokale, die nach wie vor einen Raucherber­eich haben. Das Café Drechsler gegenüber hat 2014 nach einem Jahr rauchfrei einen neuen installier­en lassen, zu groß seien die Verluste gewesen.

Kritik am Berliner Modell

Auch wenn in der Gastronomi­e weitergera­ucht werden darf – alles bleibt dennoch nicht beim Alten. Das Berliner Modell sieht beispielsw­eise vor, dass Unter-18-Jährige nicht in den Raucherber­eich dürfen und das dort keine Speisen serviert werden dürfen. „Letzteres kommt nicht infrage“, macht Dobcak deutlich. Auch andere Punkte des Modells sehe die Kammer kritisch. Ob er sich auch vorstellen kann, dass doch alles beim Alten bleibt? „Es ist nicht aller Tage Abend.“

Dass es in die andere Richtung geht und viele dem Deli oder der Academy-Bar folgen, wollen hingegen 450.000 Befürworte­r der Petition „Don’t Smoke“, deren großer Erfolg im von der Ärztekamme­r und der Krebshilfe initiierte­n Volksbegeh­ren mündete. Bis zum 15. Februar wird das Okay des Ministeriu­ms erwartet. Dann werden Unterstütz­ungserklär­ungen im Gemeindeam­t oder Magistrat beziehungs­weise online via Handysigna­tur und Bürgerkart­e möglich sein. 8401 Unterschri­ften sind für einen Einleitung­santrag nötig.

 ?? Foto: dapd / Jörg Koch ?? Im April 2015 einigte sich die damalige Regierung auf ein Rauchverbo­t in der Gastronomi­e ab Mai 2018, im Dezember wurden diese Pläne von der neuen Regierung verworfen.
Foto: dapd / Jörg Koch Im April 2015 einigte sich die damalige Regierung auf ein Rauchverbo­t in der Gastronomi­e ab Mai 2018, im Dezember wurden diese Pläne von der neuen Regierung verworfen.

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