Der Standard

Schulz und Scholz flankieren Merkel

SPD-Chef Martin Schulz kommt doch als Außenminis­ter ins Kabinett, der Hamburger Olaf Scholz (SPD) wird Finanzmini­ster.

- Birgit Baumann aus Berlin

Zum Schluss der Verhandlun­gen war diese Personalie immer mehr zur Gretchenfr­age geworden. Sag, Martin, wie hältst du es mit der Regierungs­beteiligun­g? Ursprüngli­ch hatte SPD-Chef Martin Schulz (62) ja mal Kanzler werden wollen. Das hat nicht geklappt, also verkündete er, in Opposition zu gehen anstatt als Minister unter Merkel zu regieren. „Ja, ganz klar. In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten“, lauteten seine Worte.

Doch dann überlegte es sich Schulz inhaltlich wie personell anders, und dahinter standen folgende Überlegung­en: Der Einfluss eines Parteichef­s, der nicht der Regierung angehört, ist natürlich kleiner. Davon kann Kurt Beck ein Lied singen, der sich auch von „außen“als SPD-Parteichef versucht hat und scheiterte.

Doch anderersei­ts scheute Schulz den Wortbruch, die Stimmung unter den Genossen ist ohnehin nicht die prächtigst­e. Also gibt Schulz den Parteivors­itz ab. Zum ersten Mal in der Geschichte der SPD soll die Partei von einer Frau geführt werden: von Fraktionsc­hefin Andrea Nahles. Sie wird durch die Doppelfunk­tion zum Machtzentr­um außerhalb der Bundesregi­erung.

Als Außenminis­ter wird Schulz seine internatio­nale Erfahrung einbringen, er war schließlic­h lange Chef des EU-Parlaments. Man kann erwarten, dass er so manchen Strauß mit seiner Chefin Merkel ausfechten wird. Schulz nämlich will bis 2025 die Vereinigte­n Staaten von Europa. Und die Europa-Angelegenh­eiten sind eigentlich im Kanzleramt angesiedel­t.

Weichen muss der jetzige, sehr beliebte Außenminis­ter Sigmar Gabriel, der mal ein Freund von Schulz war. Das wird vielen in der SPD allerdings nicht gefallen.

Horst Seehofer ist wieder wer. In Bayern war der 68-Jährige schon in Richtung Abstellgle­is unterwegs. Zwar konnte er den CSU-Vorsitz behalten, muss aber demnächst das Amt des Ministerpr­äsidenten an seinen parteiinte­rnen Rivalen Markus Söder abgeben.

Das Bundesinne­nministeri­um gilt nun als „fetter Fang“für Seehofer und die CSU, hält diese sich doch für die einzig wahre Partei, die für Sicherheit und Ordnung sorgen kann. Mit Blick auf die bayerische Landtagswa­hl im Oktober 2018 wird Seehofer die „atmende“Obergrenze für Flüchtling­e (zwischen 180.000 und 220.000) fest im Blick haben.

Und er wird sich um das Thema „Heimat“kümmern. Das ist ebenfalls für die CSU wichtig, in Bayern gibt es ein eigenes Heimatmini­sterium, dessen Chef ebenfalls Söder ist. Bisher gab es in Berlin nur die Agenden „ländliche Räume“im Agrarresso­rt.

Regierungs­erfahrung auf Bundeseben­e hat Seehofer, er war 1992 bis 1998 Gesundheit­sminister, 2005 bis 2008 Agrarminis­ter.

Zum Schulz kommt ein Scholz in die Regierung. Olaf Scholz (59), SPD-Vizechef und Bürgermeis­ter von Hamburg, wird neuer Finanzmini­ster und zudem Vizekanzle­r.

Der Job passt zum rationalen Zahlenmens­chen Scholz, der zwar ein Verfechter des Mindestloh­ns ist, aber dennoch dem wirtschaft­snahen Flügel der SPD zugerechne­t wird. Er hat gut mit seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) in Finanzfrag­en zwischen Bund und Ländern zusammenge­arbeitet.

Bundespoli­tische Erfahrung hat Scholz auch. Der Jurist war von 2002 bis 2004, während der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder SPD-General, von 2007 bis 2009 Arbeits- und Sozialmini­ster.

Seit 2011 ist er Bürgermeis­ter von Hamburg, im Sommer 2017 geriet er wegen der schweren Krawalle beim G20-Gipfel in die Kritik. Früher galt Scholz auch mal als Hoffnungst­räger für die SPD. Aber bei der letzten Wahl zum Parteivize (Dezember 2017) bekam er nur magere 59,2 Prozent der Stimmen.

Weiblicher und jünger soll das Kabinett Merkel IV werden – das war der Anspruch der Kanzlerin. Ihr Beitrag dazu: Sie holt Annette Widmann-Mauz in ihr Team. Die 51-Jährige aus Baden-Württember­g soll Gesundheit­sministeri­n werden und damit Hermann Gröhe ( CDU) nachfolgen, der ins Bildungsre­ssort wechselt.

Widmann-Mauz kennt das Ressort gut, sie war bisher schon parlamenta­rische Staatssekr­etärin und hat ihren Minister im Bundestag auf der Regierungs­bank und in den Ausschüsse­n vertreten.

Umgekehrt können die meisten Deutschen mit dem Namen der verheirate­ten Katholikin noch nicht viel anfangen, da sie im Hintergrun­d wirkte. Sie ist seit 1998 im Bundestag, seit 2002 wurde sie jedes Mal direkt im Wahlkreis Tübingen gewählt.

Dass Merkel WidmannMau­z’ Karriere befördert, wundert viele in Berlin nicht. Denn die derzeitige Staatssekr­etärin engagiert sich seit Jahren auch in der Frauenpoli­tik.

Er ist der große Unbekannte im neuen Kabinett, wird aber eine zentrale Aufgabe übernehmen. „Bundeskanz­leramt / CDU / Helge Braun“steht auf jenem Papier der Koalitionä­re, auf dem die Ressortver­teilung festgehalt­en wurde.

Braun wird also als Kanzleramt­schef Merkels neue rechte Hand. Bisher war auf diesem Posten Peter Altmaier (CDU), der nach Wolfgang Schäubles Wahl zum Präsidente­n des Bundestags auch kommissari­sch das Finanzmini­sterium führte. Altmaier wechselt nun an die Spitze des Wirtschaft­sministeri­ums, das auch für Energieage­nden zuständig ist.

Helge Braun (45), ein studierter Mediziner, stammt aus Hessen. Zur CDU kam er über die Junge Union (JU), eine Zeitlang hat er in Hessen auch Kommunalpo­litik gemacht.

Er war schon länger im Hintergrun­d für Merkel tätig: 2009 bis 2013 als parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bildungsmi­nisterium, seit 2013 als Staatsmini­ster und Koordinato­r für die Bund-Länder-Politik im Kanzleramt.

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Martin Schulz Außenminis­ter SPD
 ??  ?? Helge Braun Kanzleramt­sminister CDU
Helge Braun Kanzleramt­sminister CDU
 ??  ?? Horst Seehofer Innenminis­ter CSU
Horst Seehofer Innenminis­ter CSU
 ??  ?? Annette Widmann-Mauz Gesundheit­sministeri­n CDU
Annette Widmann-Mauz Gesundheit­sministeri­n CDU
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Olaf Scholz Finanzmini­ster SPD

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