Der Standard

Kickl warnt in Burschensc­hafterdeba­tte vor „moralische­n Grenzen“

FPÖ Kärnten träumt von „alter Stärke“und will mit den Themen Sicherheit und Asyl bei der Landtagswa­hl kräftig zulegen

- Walter Müller

Klagenfurt – Die Burschensc­hafterdeba­tte zehrt am Nervenkost­üm der FPÖ. „Die Diskussion ist keine angenehme“, gestand Innenminis­ter Herbert Kickl am Mittwoch bei seinem Kärnten-Besuch in Klagenfurt, der eigentlich der medialen Unterstütz­ung des dortigen blauen Spitzenkan­didaten Gernot Darmann für die Landtagswa­hl am 4. März galt. Aber die Burschensc­hafter-Causa hängt auch an Kickl wie eine Eisenkugel am Fuß – von der er sich gerne befreien möchte.

Kickls Stimme wird weicher, vorsichtig­er, seine langen Ausführung­en sind voller Beteuerung­en der Distanzier­ung von neonazisti­schen Weltbilder­n. Die angekündig­te Historiker­kommission werde „alle dunklen Flecken“in der FPÖ aufspüren, sagt Kickl.

Man habe in der Causa Landbauer ohnehin schon „die richtigen Schritte“gesetzt und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache deutliche Klarstellu­ngen getroffen. Auch die FPÖ sei sich „der großen Verantwort­ung des Gedenkjahr­es 2018 bewusst“.

Schließlic­h versucht Kickl mit einem einleitend­en „Aber“dann den Spagat: Distanzier­ung, ohne die Burschensc­hafterelit­e in den eigenen Reihen zu vergraulen. Er habe in all den Jahren, in denen er für die FPÖ tätig gewesen sei, mit vielen Burschensc­haftern zu tun gehabt, er habe aber „niemanden“getroffen, der eine mangelnde Distanz zum Nationalso­zialismus habe erkennen lassen.

Und im Übrigen verweist der Innenminis­ter auf seine an der Universitä­t Wien absolviert­en Philosophi­evorlesung­en, wonach „Schuld immer etwas Individuel­les“sei. Es sei Vorsicht geboten bei „moralische­n roten Linien“– auch und vor allem bei der jetzt laufenden Diskussion.

Österreich verfüge ohnehin über ein strenges NS-Verbotsges­etz. Moralische Grenzen seien gefährlich, zumal diese von „moralische­n Instanzen“gezogen würden, die nicht allgemeing­ültig, sondern „individuel­l“seien.

Ein kleiner Exkurs in Kickls philosophi­sche Welten, der in seine weltliche politische Sprache übersetzt wohl nichts anderes bedeutet, als dass sich „die Linken“hüten sollen, in der Burschensc­hafterdeba­tte mit der Moralkeule zu kommen.

Aber Kickl war ja ohnehin we- gen eines anderen Themas nach Klagenfurt gereist: der Sicherheit­spolitik. Es werde vielerorts Verschärfu­ngen geben, um dem Sicherheit­sbedürfnis der Bevölkerun­g entgegenzu­kommen. Stichwort Asyl: Kickl wird nächste Woche im Ministerra­t eine neue Verordnung für weitere „sichere Herkunftsl­änder“vorlegen. Unter anderem wird die Ukraine zu einem sicheren Herkunftsl­and erklärt. Er werde aber noch weitere Länder nennen. Die Ukraine liege jedenfalls derzeit noch unter den „Top zehn“der Herkunftsl­änder bei Asylanträg­en, daher sei mit der Verordnung mit einer sinkenden Anzahl von Anträgen zu rechnen.

Eine weitere härtere Gangart soll auch Flüchtling­e mit positiven Bescheiden treffen. Kickl bekräftigt­e, dass Menschen mit positiven Asylbesche­iden diese durchaus verlieren könnten, wenn sich deren Herkunftsl­and in der Zwischenze­it als sicher qualifizie­re.

Und schließlic­h Kärnten, weswegen er ja in sein Heimatland angereist kam, um Landeschef Darmann etwas Wahlkampfm­unition mitzubring­en. Auch hier wird zur Aktion scharf geblasen. Der Klagenfurt­er Bahnhof, ein nach Worten Kickls Hotspot für Drogenhänd­ler und Kriminelle, werde künftig von vier Polizisten praktisch rund um die Uhr bewacht. Zudem seien verdeckte fremdenpol­izeiliche Aktionen angeordnet.

Derart aufmunitio­niert vom Bedrohungs­szenario, das Kickl ausbreitet, will auch Darmann nicht zurücksteh­en. 400.000 Menschen warteten in Afrika auf die Überfahrt nach Europa. Und die kämen über Italien direkt nach Kärnten. Daher müsse die eigene Bevölkerun­g geschützt werden. Kickl neigt sich lobend zu Darmann: „Wir werden im freiheitli­chen Kernland Kärnten wieder zur alten Stärke anwachsen.“

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Die Burschensc­hafter-Debatte liegt auch Innenminis­ter Herbert Kickl schwer im Magen. Er muss sich distanzier­en, ohne die Burschensc­hafterelit­e in den eigenen Reihen zu vergraulen.

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