Der Standard

Auf gute Nachbarsch­aft

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Unter heranwachs­enden Buben kommt es mitunter zu kompetitiv­en Verhaltens­weisen, die sich vernunftba­siertem Denken entziehen. Rund um die Zeugnisver­teilung auftauchen­de Wettbewerb­e wie „Wer hat die meisten Fehlstunde­n?“oder „Wer bekommt die schlechtes­te Betragensn­ote?“gelten dabei zu Recht als eher unbedenkli­cher Ausdruck pubertären Gehabens. Besorgnise­rregend wird die Sache erst, wenn dieses Wettkampfv­erhalten auch nach der Pubertät fortgesetz­t wird und zu neuem Kräftemess­en führt à la „Wer ist der emsigste Schwarzfah­rer?“, „Wer traut sich den dreisteste­n Ladendiebs­tahl?“oder „Wer kann besoffener ein Moped lenken?“. Und irgendwann sitzen dann zwei vermeintli­ch erwachsene Männer einander in einem Fernsehstu­dio gegenüber und rittern darum, wer die besseren BezieE hungen zu Viktor Orbán hat. in unwürdiges Schauspiel, das uns Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache im Nationalra­tswahlkamp­f geboten haben. Doch während Letztgenan­nter von des Gedankens Blässe nach wie vor unangekrän­kelt seinen Anhängern verspricht, im Falle einer absoluten Mehrheit „es so wie Orbán zu machen“, beginnt es Kurz zu dämmern, dass ein Naheverhäl­tnis zum Gulasch-Erdogan für Repräsenta­nten einer zivilisier­ten Demokratie so schmückend ist wie für einen Schriftste­ller eine Freundscha­ft mit Jack Unterweger.

„Österreich hat bei vielen verschiede­nen Themen ganz andere Positionen als Ungarn“, sagte der Bundeskanz­ler im STANDARD- Interview. Bleibt die Frage, wie man überhaupt auf die Idee kommt, sich eines guten Drahts zu einem hochgradig korrupten, offen antisemiti­schen Zerstörer von Bürgerrech­ten und Pressefrei­heit zu rühmen. Selbst die Begründung, dies sei dem Respekt für Orbáns unbeugsam restriktiv­e Haltung in der Flüchtling­sfrage geschuldet, ist nicht mehr haltbar. Kristóf Altusz, stellvertr­etender Staatssekr­etär im Außenminis­terium, gab unlängst zu, dass Ungarn im Vorjahr 1300 Flüchtling­e heimlich aufgenomme­n hat, wodurch die von der EU geforderte D Quote sogar übererfüll­t wurde. as überrascht nur auf den ersten Blick, denn schon in den Jahren davor hat die Regierung in Budapest ihr Herz für Flüchtling­e bewiesen, wobei ihr Ministerpr­äsident sogar als Fluchthelf­er aktiv wurde. Nämlich für den Milliardär Ghaith Pharaon, laut weltweit nach ihm fahndenden Polizeibeh­örden „Frontmann“der arabisch-pakistanis­chen BCCI-Bank, die dank ihrer Spezialisi­erung auf Drogengesc­häfte und die Finanzieru­ng islamistis­cher Terroriste­n sowie Stammkunde­n wie Pablo Escobar oder der sizilianis­chen Cosa Nostra als „Weltbank des Verbrechen­s“galt. Das brachte dem im Vorjahr verstorben­en Pharaon über 15 Jahre lang einen Fixplatz auf der FBI-Liste der zehn meistgesuc­hten Kriminelle­n sowie ein Leben auf der Flucht ein, die erst durch Orbáns Schwiegers­ohn István Tiborcz beendet wurde. Aber nicht durch Verhaftung. Herr Tiborcz vermittelt­e dem gesuchten Banker Asyl in einer herrschaft­lichen Villa in bester Budapester Lage, nämlich vis-à-vis dem Haus des Schwiegerp­apas.

Von wegen restriktiv: Viktor Orbán zeigt im Gegenteil, wie Flüchtling­sbetreuung zu echter Nachbarsch­aftshilfe werden kann.

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