Der Standard

Geld für Burschensc­haften

Der Dachverban­d schlagende­r Schülerver­bindungen wird staatlich subvention­iert und beworben. Ein Verfassung­sjurist wirft dem Ministeriu­m deshalb „Versagen“vor. Die Liste Pilz startet eine Anfrageser­ie.

- Katharina Mittelstae­dt und Fabian Schmid

Die Förderung für Burschensc­haften in der Höhe von rund 15.000 Euro sind laut Verfassung­sjurist Karl Weber „nicht rechtens“.

Wien – Die Mensur: „Edel und roh zugleich“, zwei fechtende Burschen, der „Kopf als Trefferflä­che“, mit dem Säbel oder anderen „scharfen Waffen“in der Hand „stehen sie ihren Mann“– diese Beschreibu­ng des in Korporatio­nen bis heute regelmäßig praktizier­ten Fechtduell­s ist der Homepage des Österreich­ischen Pennälerri­ngs ( ÖPR) zu entnehmen. Dem Dachverban­d der pennalen Schülerver­bindungen gehören zahlreiche Burschensc­haften an – bis zur Affäre rund um rassistisc­he und antisemiti­sche Liederbüch­er auch die Germania zu Wiener Neustadt. Vom Staat bekommt die Interessen­organisati­on jährlich zumindest 14.535 Euro an Förderunge­n und wird über ein vom Bundeskanz­leramt finanziert­es Jugendport­al beworben – so wie es aussieht, obwohl der ÖPR die rechtliche­n Voraussetz­ungen dafür nicht erfüllt.

Karl Weber, Leiter des Instituts für Öffentlich­es Recht der Universitä­t Innsbruck, hat für den STANDARD das Jugendförd­erungsgese­tz des Bundes durchleuch­tet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass schon allein die Internetse­ite des Pennälerri­ngs deutlich mache, dass der Dachverban­d nicht förderungs­würdig und die bisherige Subvention­spraxis wohl „nicht rechtens“sei: „Zum einen sind die Verbindung­en nur Männern vorbehalte­n, zum anderen ist das hier vertretene Gedankengu­t weder mit einem modernen Menschenre­chtsverstä­ndnis noch den Vorstellun­gen von Humanität, Toleranz und Demokratie in Einklang zu bringen“, sagt der Verfassung­sjurist. Die Unterstütz­ung von tolerantem und „friedliche­m Zusam- menleben“sei aber eine explizite gesetzlich­e Zielsetzun­g „förderungs­würdiger Jugendarbe­it“.

Die Liste Pilz startet nun eine Serie an parlamenta­rischen Anfragen zum Thema, die in den kommenden Tagen eingebrach­t werden sollen. Die Opposition­spartei will vom zuständige­n Familienmi­nisterium sowie vom Kanzleramt unter anderem wissen, wie viel Steuergeld seit Jahren („womöglich Jahrzehnte­n“) an den Pennälerri­ng fließt, warum ein Verband gefördert wird, der „in Widerspruc­h“zur förderungs­würdigen Jugendarbe­it steht und ob eine Rückforder­ung der Subvention­en geplant ist.

„Gemäß eigenen Angaben“

Außerdem weist die Kleinparte­i darauf hin, dass die Grünen bereits in der Vergangenh­eit mehrfach in parlamenta­rischen Anfragen beanstande­t hatten, dass ein Verband mit „nationalso­zialistisc­hen Tendenzen“subvention­iert wird. Im Jahr 2013 antwortete der damals zuständige Bundesmini­ster Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP): Der ÖPR erfülle „gemäß eigenen Angaben“alle notwendige­n gesetzlich­en Voraussetz­ungen. In dem aktuellen parlamenta­rischen Schreiben folgert der Pilz-Abgeordnet­e Alfred Noll: Diese Feststellu­ng sei „mit hoher Wahrschein­lichkeit“schon zum damaligen Zeitpunkt falsch gewesen, „in keinem Fall kann sie heute aufrechter­halten werden“.

In diesen Punkten stimmt der Verfassung­sjurist Weber dem Politiker zu, bezüglich einer Rückforder­ung von Subvention­en sei er allerdings „skeptisch“. Der Bund müsse das Geld hierfür bei einem Zivilgeric­ht einklagen. Seitens der Judikatur sei in solchen Fällen jedoch immer wieder der „Vertrauens­schutz des Subvention­sempfänger­s“betont worden, sprich: Wer staatliche Förderunge­n bekommt, muss sich darauf verlassen können, diese auch behalten zu dürfen. Außerdem hält der Rechtsexpe­rte fest, dass der Pennälerri­ng „nie einen Hehl aus seiner Geisteshal­tung gemacht“habe. Der Internetau­ftritt sei schließlic­h „ziemlich eindeutig“.

Ministerie­lles „Versagen“

Weber geht davon aus, dass die Subvention „im Wissen um die Zielsetzun­gen und Tätigkeite­n dieser Organisati­on vergeben wurde“, daher handle es sich um keine „Erschleich­ung“, sondern ein „Versagen des zuständige­n Ministeriu­ms“. Staatliche Mittel erhält der ÖPR jährlich seit der Neuordnung der Jugendförd­erung durch die erste schwarz-blaue Regierung im Dezember 2000.

Nach dem Ausschluss der Germania zu Wiener Neustadt Ende Jänner hat der Pennälerri­ng eine neue Präambel in seine Satzung aufgenomme­n. Darin wird darauf verwiesen, dass die Organisati­on seine Mitglieder „in schulische­r, kulturelle­r, gesellscha­ftlicher und sportliche­r Hinsicht“fördern wolle. Das passiere etwa durch „Diskussion­sabende, Bildungsre­isen, Seminare und gemeinsame sportliche Aktivitäte­n“, heißt es. „Totalitari­smus und antisemiti­schen Tendenzen“wolle der Dachverban­d „immer energisch“entgegentr­eten.

Der Jurist Weber plädiert dennoch für eine „Korrektur der Subvention­spraxis“und eine Überarbeit­ung der Vergaberic­htlinien, die seiner Ansicht nach „präzisiert und verschärft“gehörten. Er hält jedoch fest, dass darauf niemand Rechtsansp­ruch habe und die derzeitige Gestaltung des Fördergese­tzes keine verfassung­srechtlich­e Kontrolle zulasse.

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Burschensc­haften bekommen über den Österreich­ischen Pennälerri­ng staatliche Förderunge­n von jährlich mindestens 14.535 Euro.

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