Der Standard

„Man darf das nicht so ernst nehmen“

Die Zusagen der deutschen Koalition in Richtung Vertiefung der EU und der Währungsun­ion werden keine grundsätzl­ichen Probleme lösen, sagt der Direktor des Thinktanks CEPS, Daniel Gros.

- INTERVIEW: Andreas Schnauder

Standard: Das deutsche Koalitions­abkommen enthält Signale in Richtung Vertiefung der EU. Mehr Geld für die EU, ein Europäisch­er Währungsfo­nds, ein Eurobudget zählen dazu. Wird Berlin die Integratio­n jetzt beschleuni­gen? Gros: Ich glaube, man darf das Ganze nicht zu ernst nehmen. Das war für die CDU eher eine Kröte, die sie schlucken musste. In den Verhandlun­gen war das kein Thema, bei der SPD-Abstimmung ebenfalls nicht. Es geht mehr darum, dass Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hier große Pläne hat. Um den Franzosen entgegenzu­kommen, gibt es im Bereich der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion ein paar Zugeständn­isse.

Standard: Ein Eurobudget kann auch als Türöffner für eine Fiskalunio­n gesehen werden. Was meinen Sie? Gros: Ich sehe keine Ansätze einer Fiskalunio­n. Ein Budget für die Eurozone oder etwas mehr Geld für die EU ändert die EU nicht grundlegen­d. Um ökonomisch relevante Effekte in der EU zu erzielen, müsste man schon 200 bis 400 Milliarden Euro pro Jahr bewegen.

Standard: Gilt das auch für das neue Kriseninst­rument namens Europäisch­er Währungsfo­nds, das die Regierung in Berlin nun forciert und das an die Stelle des Rettungsfo­nds ESM treten soll? Gros: Ich sehe nicht, was das am jetzigen Zustand verändern würde. Ob das nun ESM (European Stability Mechanism, Anm.) oder Währungsfo­nds heißt, ändert nichts an der Steuerung durch die Mitgliedss­taaten. Somit ändert sich auch an der Problemati­k nichts. Der ESM ist zwar ein wichtiges Instrument der Währungsun­ion, für die nächsten zehn Jahre werden wir ihn meiner Einschätzu­ng nach aber nicht mehr brauchen.

Standard: Zurück zum EU-Budget: Die Ausfälle der britischen Nettobeitr­äge im nächsten Finanzrahm­en sorgen für Debatten. Wien beispielsw­eise will seine Zahlungen nicht erhöhen. Berlin schon. Was schließen Sie daraus? Gros: Es wird wohl zu einer leichten Erhöhung des EU-Haushalts kommen. So wie ich das sehe, wird man die Strukturfo­nds nicht antasten, bei kleineren Posten wie äußere und innere Sicherheit werden die Ausgaben etwas angehoben. Wer was hat, dem wird nichts genommen. Österreich wird somit ein bisschen mehr zahlen müssen. Darum wird das Land nicht herumkomme­n.

DANIEL GROS (62) ist Ökonom und Direktor des Centre for European Policy Studies (CEPS) mit Sitz in Brüssel.

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Foto: Regine Hendrich Österreich wird mehr in die EU einzahlen müssen, so D. Gros.

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