Der Standard

„Operation Rechtsstaa­t“in Serbien

EU-Kommissar Hahn will Beratungsm­issionen auf den Balkan schicken, die Schwachste­llen in der Rechtsstaa­tlichkeit herausfilt­ern sollen. In Serbien will man nun vor allem die Kosovo-Frage lösen.

- Adelheid Wölfl aus Belgrad

„Kosovo, nicht Kosova, O, nicht A, O, nicht A“, brüllt der Mann in das Megafon vor der EU-Delegation in Belgrad. Er will damit sagen, dass man nicht das albanische, sondern das serbische Wort verwenden soll. Er protestier­t so dagegen, dass die EU eine Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen den beiden südosteuro­päischen Staaten verlangt, bevor Serbien der Union beitreten kann.

Zudem muss ein Abkommen getroffen werden, das verhindert, dass Serbien den EU-Beitritt des Kosovo künftig verhindern kann. Das Kosovo-Thema dominierte dann auch die Diskussion über die neue Erweiterun­gsstrategi­e beim Besuch von Kommissar Johannes Hahn in Belgrad. Hahn sagte zu dem Thema: „Jetzt ist die Zeit, dass das ein für allemal geregelt wird.“Präsident Aleksandar Vučić sprach von „Bergen von Hinderniss­en“, die bevorstünd­en. „Wir wären aber nicht die Ersten, die den Mount Everest besteigen“, meinte er.

Geplantes Referendum

Vučić plant ein Referendum in der Causa – denn Serbien muss seine Verfassung ändern, weil in der derzeitige­n Fassung der Kosovo noch als integraler Bestandtei­l Serbiens verankert ist. Die ehemalige serbische Provinz hat sich 2008 für unabhängig erklärt. In Zukunft soll in alle Beitrittsv­erträge mit neuen Mitglieder­n eine Klausel geschriebe­n werden, die festhält, dass sie andere Kandidaten nicht auf ihrem Weg in die Union blockieren dürfen.

Hahn hält es zudem für sinnvoll, dass man künftig in mehr Fragen – etwa wenn es um die Eröffnung von Verhandlun­gskapiteln geht – nicht mehr einstimmig (alle 28 EU-Staaten), sondern auch mit qualifizie­rter Mehrheit abstimmen kann. „So wie jetzt kann das nicht nachhaltig funktionie­ren.“

In der neuen Erweiterun­gsstrategi­e wurde Montenegro und Serbien ein Beitritt 2025 in Aussicht gestellt. Die Nennung des Datums nannte Hahn auch einen „Weckruf für die EU-Mitgliedst­aaten“. „Das führt, höflich gesagt, zu Reflexione­n“, sagte Hahn etwas ironisch. Doch dies sei gut, denn er wolle, dass diese vorbereite­t seien, wenn die Verhandlun­gen mit den Kandidaten beendet seien.

Der Kommissar meinte allerdings, dass „Serbien seine Anstrengun­gen verdoppeln“müsse, wenn es die Ziele erreichen wolle. In ein paar Wochen werden er und EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker alle sechs potenziell­en EU-Staaten besu- chen. Im Mai findet außerdem ein Westbalkan-Gipfel in Sofia statt. Die EU will bis 2020 zusätzlich 500 Millionen Euro in der Region ausgeben, um die Schwachste­llen bei der Rechtsstaa­tlichkeit „anzugehen“und Beratungsm­issionen zu entsenden.

Die Missionen nannte Hahn „ein Angebot, das man nicht ablehnen kann“. Anschließe­nd sollen Reformen genau überwacht werden. Andere EU-Kapitel sollen erst geschlosse­n werden, wenn die Ziele im Bereich der Rechtsstaa­tlichkeit erreicht wurden.

Altlasten

Die strukturel­len Probleme sind alt und gehen tief. In Exjugoslaw­ien und in Albanien spielt etwa der Geheimdien­st eine oppressive Rolle, die Sicherheit­sstrukture­n wurden nie umfassend reformiert. Deswegen geht es nicht nur um die Unabhängig­keit der Justiz. In der EU-Strategie wurden die „Unterwande­rung des Staates“und Verbindung­en zur organisier­ten Kriminalit­ät klar angesproch­en.

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EU-Kommissar Johannes Hahn besuchte Belgrad, um Politiker – wie Präsident Aleksandar Vučić (rechts) – aufzumunte­rn, Reformen anzugehen.

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