Der Standard

Und ewig grüßt das Murmeltier im US-Kongress

Erneute Gratwander­ung von Republikan­ern und Demokraten vor erneut drohendem Shutdown

- Frank Herrmann aus Washington

Manche vergleiche­n es mit Groundhog Day, dem Film, in dem täglich das Murmeltier grüßt. Nur knapp drei Wochen nach dem vorläufig letzten Shutdown wiederholt sich die Handlung. Einmal mehr stand der US-Kongress am Donnerstag im Zeichen eines Rennens gegen die Uhr, um die drohende Lähmung des Regierungs­betriebs abzuwenden. Bis Mitternach­t mussten sich Demokraten und Republikan­er auf ein kurzfristi­g angelegtes Haushaltsg­esetz geeinigt haben, sollte eine Stilllegun­g weiter Teile der amerikanis­chen Bundesverw­altung noch abgewendet werden.

Neu ist diesmal, verglichen mit dem Budgetpoke­r im Jänner, eine Art Ernüchteru­ngseffekt im Senat. In der kleineren der beiden Parlaments­kammern sind führende Politiker beider Parteien offensicht­lich nicht mehr gewillt, alle paar Wochen am Rande des fiskalisch­en Abgrunds zu wandeln. Nach zähem Verhandeln verständig­ten sich Republikan­er und Demokraten am Mittwochab­end (Ortszeit) auf ein Haushaltsp­aket, das auf zwei Jahre angelegt ist und damit die nervenaufr­eibenden Gratwander­ungen fürs Erste beenden würde.

Als wären die bitteren Rededuelle des Jänner nur noch ferne Erinnerung, beschworen ihre Spitzenleu­te den Geist der Kooperatio­n. „Wir haben hart gearbeitet, um einen gemeinsame­n Nenner zu finden“, zollte Mitch McConnell, die Nummer eins der Konservati­ven, seinen Gegenspiel­ern Respekt. Chuck Schumer, McConnells Widerpart in den demokratis­chen Reihen, klang fast euphorisch: Dieser Deal sei „das Beste, was wir seit langer Zeit für unsere Wirtschaft, unser Militär und unsere Mittelschi­chten getan haben“.

Der Kompromiss sieht einen deutlichen Anstieg der Ausgaben für Verteidigu­ng, Soziales und Infrastruk­tur vor. Demnach soll der Etat des Pentagon in den Finanzjahr­en 2018 und 2019 um 165 Milliarden Dollar steigen. Auch nichtmilit­ärische Posten sollen aufgestock­t werden. Falls die Pläne nicht Makulatur werden, fließt zusätzlich­es Geld in die Reparatur kaputter Brücken und Straßen, in die Betreuung von Kinder und Kriegsvete­ranen und in Programme zur Bekämpfung der Opioid-Krise.

Zum ersten Mal seit 2011 hebt die Budgetskiz­ze Obergrenze­n für Ausgaben auf, wie sie die Tea-Party-Bewegung durchgeset­zt hatten. Kein Wunder, dass sich bei den Erben der Tea Party Widerstand regt, insbesonde­re im Repräsen- tantenhaus. Mo Brooks aus Alabama: Leichtsinn­iges Schuldenma­chen treibe die USA in die Zahlungsun­fähigkeit. Wenn nichts geschehe, spiele man bald in einer Liga mit Venezuela.

Ob die Revolte auf dem rechten Flügel heftig genug sein würde, um eine Einigung zu torpediere­n, blieb zunächst offen. Interessan­terweise verbindet sie sich mit Protesten von links: Etliche Demokraten wollten Etatkompro­missen nur zustimmen, wenn sich die Republikan­er zu einer Reform des Einwanderu­ngsrechts verpflicht­en; zur Arbeit an Gesetzen, die rund 800.000 Kinder illegal Eingewande­rter vor der Abschiebun­g bewahren. Nancy Pelosi, die demokratis­che Fraktionsc­hefin stellte sich am Mittwoch für acht Stunden und sieben Minuten an ein Rednerpult, um genau diese Verknüpfun­g zu fordern.

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Foto: Reuters / Joshua Roberts Viel Respekt für die Kontrahent­en: Mitch McConnell.

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