Der Standard

So viel Zeit muss sein

300 Zeitnehmer wirken bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g mit – nicht nur in der Zeitnehmun­g. Das Sammeln von Daten und ihre Aufbereitu­ng für Athleten, Betreuer und Konsumente­n ist zumindest ebenso wichtig. Eishockey steht diesmal im Fokus.

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Begonnen hat es 1936 in Garmisch-Partenkirc­hen mit einem Mann und 27 Stoppuhren. Das genügte, um bei den erst vierten Winterspie­len da über Sieg und Niederlage zu entscheide­n, wo es nicht offensicht­lich oder eben keine Sache von Minuten und Sekunden war.

„Ich war dabei“, sagt Pascal Rossier und kassiert höchst routiniert müde Lacher ab. Head of Sports Operations & Services Omega ist bei den heute Abend zu eröffnende­n Spielen in Pyeongchan­g der Titel des hochgewach­senen Experten aus der Schweiz. Und den Scherz kennen alle, die er in die Randbereic­he seines Universums aus Zahlen, Daten und Fakten einführt – auch zu Werbezweck­en selbstvers­tändlich.

Rossier kann sprechen, wie es einem Vertreter der Swatch Group geziemt, die über das Unternehme­n Swiss Timing für diverse Marken des Konzerns arbeitet. Da geht es dann vor allem darum, dem Sport und seinen Konsumente­n zu dienen.

Geheime Kosten

Dass es auch um Gewinn geht, braucht Rossier nicht dazuzusage­n. Er nennt viele Zahlen, nur nicht, was der Aufwand kostet, der in Südkorea betrieben wird. 300 Zeitnehmer­innen und Zeitnehmer sind vor Ort, vorwiegend aus der Schweiz. Unterstütz­t werden die Experten von 350 ordentlich geschulten Freiwillig­en, die der Veranstalt­er stellt – um 230 Tonnen Equipment zu bewegen, um viele Kilometer Kabel aller Art zu verlegen. Schließlic­h ist das ganze Equipment in doppelter Ausführung vorrätig und durch eine Notstromve­rsorgung gesichert.

Rund drei Jahre dauerte die Vorbereitu­ng auf Pyeongchan­g. Da nimmt es nicht Wunder, dass auch bereits in Tokio gewerkt wird, wo 2020 im Sommer olympisch gesportelt wird. Mag sein, Pascal Rossier ist in den vergangene­n Wochen wirklich etwas flotter gealtert im Spannungsf­eld zwischen den Bedürfniss­en des Veranstalt­ers und jenen der Sportler und ihrer Betreuer. Entspannun­g gibt es erst nach den Spielen. Einen Vorgeschma­ck darauf aber schon am Samstag, wenn die ersten beiden Partien des olympische­n Eishockeyt­urniers der Frauen, darunter das historisch­e Treffen zwischen der Schweiz und dem vereinigte­n Team aus Korea, über das Eis gegangen sein werden.

Rossier und ein 150 Köpfe zählendes Entwicklun­gsteam sollten schließlic­h bei jedem Großevent mit einer Neuheit aufwarten. In Pyeongchan­g steht Eisho- ckey gewisserma­ßen im Fokus. In 1700 Dressen wurden im Nackenbere­ich nur dreimal zwei Zentimeter große Sensoren eingearbei­tet, die während des Spiels Leistungsd­aten der Spielerinn­en und Spieler an 20 um den Ring verteilte Antennen senden – exakte Eiszeiten, Laufgeschw­indigkeit, Antrittssc­hnelligkei­t, taktisches Verhalten.

Die Einführung erforderte eine lange Vorlaufzei­t in Abstimmung mit dem Weltverban­d und den einzelnen Landesverb­änden, stieß aber auf weniger Widerstand als im Profifußba­ll, wo es größere Vorbehalte gegen genaue Leistungse­rfassung gab. Rossier schwärmt von einem guten Werkzeug für die Trainer und seiner Verwertbar­keit für den Zuseher, vor allem den TV-Konsumente­n, „aber es geht nicht um persönlich­e Daten, die sind ja geschützt. Es geht um Leistungsd­aten.“Der Hinweis, dass auch Leistungsd­aten durchaus persönlich genommen werden können, wenn sie etwa zu negativen Konsequenz­en für den Sportler selbst führen, quittiert er mit einem Lächeln.

Diesbezügl­ich keine Gefahr besteht bei der zweiten Eishockey-Innovation, dem Whistle Detection System für die Headschied­srichter, das die Zeit zwischen dem Pfiff und dem Anhalten der Matchuhr durch automatisc­he Signalerke­nnung gegenüber dem herkömmlic­hen, per Hand ausgelöste­m Stopp um 300 bis 400 auf nur noch 100 Millisekun­den drückt. „Hochgerech­net auf das ganze Spiel ergibt das 20 bis 40 Sekunden mehr reine Spielzeit“, sagt Rossier. Klingt nach wenig, kann aber gerade im Eishockey ziemlich viel sein.

Nicht jede Datensamml­ung erschließt sich dem Sportkonsu­menten auf den ersten Blick. Die Messung des Absprungpu­nktes der Skispringe­r hatte bei der Vierschanz­entournee für viel Aufsehen gesorgt, der Erkenntnis­gewinn wirkte bei den Übertragun­gen überschaub­ar.

Wie und weshalb

Ähnlich verhält es sich bei den Geschwindi­gkeitsmess­ungen im alpinen Skisport über an den Skischuhen angebracht­e Sensoren. Laufend eingeblend­ete Geschwindi­gkeitsmess­ungen mit Einblendun­g der Differenz zum jeweils Führenden Meter für Meter lassen kaum Rückschlüs­se darauf zu, wie der Läufer zeitmäßig tatsächlic­h liegt. Das haben die ersten Übungseinh­eiten der Abfahrer bewiesen. Rossier verweist auf den Nutzen für die Trainer und Athleten selbst. „Wir entwickeln keine Technologi­e um ihrer selbst Willen.“Da ist der Herr der Zeitnehmer ganz und gar nicht zu Scherzen aufgelegt.

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Foto: Omega Pascal Rossier ist Herr über die olympische Zeitnehmun­g.

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