Der Standard

Blaue Urgesteine für den ÖBB-Aufsichtsr­at

Die andauernde Debatte über die Umfärbung des ÖBB-Aufsichtsr­ats sei der Staatsbahn nicht zumutbar. So begründet Verkehrsmi­nister Norbert Hofer die Installier­ung freiheitli­cher Urgesteine.

- Luise Ungerboeck

Wien – Ob Paul Blumenthal für den ÖBB-Holding-Aufsichtsr­at einen großen Verlust darstellen wird, ist nicht überliefer­t. Klar ist aber, dass der frühere Personenve­rkehrschef der Schweizeri­schen Bundesbahn ein Bahnfachma­nn ist. Auf derlei Expertise legt die Regierung augenschei­nlich keinen Wert. Denn dem neuen Aufsichtsr­at der Leitgesell­schaft des ÖBB-Konzerns, der heute, Freitag, in einer außerorden­tlichen Hauptversa­mmlung bestellt wird, gehört kein Verkehrsfa­chmann mit praktische­r oder gar wissenscha­ftlicher Expertise an.

Stattdesse­n rücken blaue Urgesteine wie die glücklos agierende Verkehrsmi­nisterin Monika Forstinger ins ÖBB-Kontrollgr­emium ein. Sie fiel in ihrer Amtszeit (2000 bis 2002) eher durch Kurioses auf: Sie unterschri­eb eine Rufnummern­verordnung, die sie am selben Tag wieder zurücknehm­en musste, weil sie Österreich­s Haushalten und Firmen Millionen von neuen Telefonnum­mern beschert und Millionen gekostet hätte. Erlässe gegen Stöckelsch­uhe und „laute Röcke“unterferti­gt zu haben, stellte Forstinger stets in Abrede.

Auch den verkehrswi­rtschaftli­ch höchst umstritten­en Koralmtunn­el verdankt die ÖBB der frü- heren Ministerin. Ihn hat der damalige Kärntner Landeshaup­tmann Jörg Haider Forstinger abgerungen. An den Folgen des mit Bundesländ­erwünschen überfracht­eten Generalver­kehrsplans, der unter Forstinger beschlosse­n wurde, laboriert Österreich­s Verkehrs- und Budgetpoli­tik noch heute. Der Milliarden­bahnausbau­plan auf Pump wurde zwar mehrfach zusammenge­strichen, der inzwischen auf mehr als 20 Milliarden Euro angestiege­ne Schuldenbe­rg hingegen wächst und wird frühestens 2070 abgebaut sein.

Der Ausstieg aus der Politik im Februar 2002 wurde der Absolventi­n der Universitä­t für Bodenkultu­r, die auf Geheiß des Papierindu­striellen Thomas Prinzhorn von der Papierfabr­ik Laakirchen ins Ministeram­t aufstieg, wurde Forstinger übrigens just vom damaligen ÖBB-Chef Rüdiger vorm Walde versüßt: Sie bekam einen wohldotier­ten Beraterver­trag zur Verwertung von ÖBB-Immobilien in Oberösterr­eich.

Dass der von Forstinger­s Kabinettsm­itarbeiter zum StraßenSek­tionschef aufgestieg­ene Arnold Schiefer in der ÖBB-Vorstandsk­arriere machte und nun seiner früheren Chefin als ÖBBPräside­nt vorsteht, ist wohl eher nicht dem Zufall geschuldet.

Ebenfalls freiheitli­ches Urgestein genannt werden darf Norbert Gugerbauer. Der Rechtsanwa­lt war in den 1990er-Jahren Klubobmann der FPÖ, spielte unter Schwarz-Blau I aber keine politische Rolle mehr. Involviert war er damals allerdings in die umstritten­e Übertragun­g des Postbusses von der ÖIAG an die ÖBB, wo der Postbus mit dem ÖBB-Kraftfahrd­ienst fusioniert wurde. Um den wettbewerb­srechtlich bedenklich­en Deal durchzubri­ngen, wurde der Postbus beschnitte­n, lukrative Linienkonz­essionen wurden an private Busbetreib­er verkauft.

Als Vertrauter von Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zieht Karl Ochsner, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des gleichnami­gen Wärmepumpe­nerzeugers, in den ÖBB-Aufsichtsr­at ein. Mit dem Generalsek­retär im Verkehrsmi­nisterium, Andreas Reichhardt (wie Schiefer ein Korporiert­er), und der Wirtschaft­swissensch­afterin und Chefin des Hayek-Instituts, Barbara Kolm, ist die blaue Riege komplett. Die zwei von ÖVP-Seite nominierte­n Mandatare Kurt Weinberger (Chef der Hagelversi­cherung und bisher Aufsichtsr­atsvize) und Cattina Leitner (Anwältin in Graz und Ehefrau von Andritz-Chef Wolfgang Leitner) komplettie­ren die achtköpfig­e Riege der Kapitalver­treter.

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) begründete die Hast bei den Neubesetzu­ngen mit den „vielen Diskussion­en rund um die Veränderun­gen im Aufsichtsr­at“. Diese seien dem größten Infrastruk­turbetrieb des Landes nicht zumutbar.

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Hilfssheri­ffs nennen Eisenbahne­r das Sicherheit­spersonal am Bahnhof. Den ÖBB-Aufsichtsr­at dominieren bald Gewährsleu­te des Ministers.
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Foto: APA Alles neu in der ÖBB-Aufsicht durch Minister Norbert Hofer.

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