Der Standard

Absolutism­us, Revolution & Demokratie

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Dieser Tage ist auffallend viel von Gerechtigk­eit, von Ungleichhe­it, von bürgerlich­en, studentisc­hen und von proletaris­chen Revolution­en die Rede. Studentisc­he Bünde, Burschensc­hafter, bourgeoise­s Aufbegehre­n gegen den Absolutism­us des Metternich’schen Überwachun­gsstaates sowie ein gesamtgese­llschaftli­ches Umdenken einer sich organisier­enden Arbeitersc­haft hatten fast zur selben Zeit ihre Anfänge. Und auch Überschnei­dungen – in ihren Anliegen sowie in der Art und Weise des Widerstand­s. Dies zeigen auch klar zwei neue Publikatio­nen, die nicht zuletzt anlässlich des 100-JahrJubilä­ums der Republik Österreich erschienen sind.

Hätten Sie gewusst, dass Karl Marx im Revolution­sjahr 1848 in Wien weilte? Dass er Redakteur der bürgerlich-liberalen Presse war? Und als Linker bald dort entlassen wurde? Dass er in Wien Spuren hinterließ – abseits des Jahrzehnte später nach ihm benannten Karl-Marx-Hofes? Historiker Günther Haller fördert in seiner Spurensuch­e Marx und Wien bisher unbekannte, auch private Facetten des kommunisti­schen Säulenheil­igen zutage.

Detailverl­iebt schildert er das Entstehen der österreich­ischen Arbeiterbe­wegung vom Vormärz bis zur Zweiten Republik. Unter der sprichwört­lichen picksüßen Oberfläche des Biedermeie­r sorgte der Polizeista­at für die Unterdrück­ung aller demokratis­chen Strömungen. Erst nach Marx’ Tod bereiten seine Lehren in Österreich den Boden für die Erfolge der Arbeiterbe­wegung und der Sozialdemo­kratie. Interessan­t aber sind sowohl Schriften als auch Orte, an denen er gewirkt, gelebt, gearbeitet hat.

Im Gefolge der Französisc­hen Revolution anno 1789 entwarfen auch in Österreich erste Demokraten politische Visionen im Geist der Aufklärung. Sie wurden mit Richtschwe­rt, Galgen und Kerker unterdrück­t, ihr Gedächtnis getilgt. 1848/49 scheiterte sowohl die bürgerlich-demokratis­che als auch die soziale Revolution. Die Ideen der Geschlagen­en konnten jedoch auf Dauer nicht unterdrück­t werden, sie setzten sich später fort in Liberalisi­erung, Parlamenta­rismus und Arbeiterbe­wegung. „Ideen können nicht erschossen werden“, sollen des damals 25-jährigen Philosophe­n und Publiziste­n Hermann Jellinek letzte Worte vor der Hinrichtun­g 1848 gewesen sein– das Ringen Österreich­s um Freiheit und Demokratie war von Verfolgung und blutiger Repression begleitet.

Aus der Katastroph­e des Weltkriegs erwuchs aber 1918 die „österreich­ische Revolution“als Neuanfang der demokratis­chen Republik.

Gregor Auenhammer

Günther Haller, „Marx und Wien. Von den Barrikaden zum Gemeindeba­u“. € 22,90 / 192 Seiten. Molden-Verlag, Wien 2017 Wolfgang Häusler, „Ideen können nicht erschossen werden. Revolution und Demokratie in Österreich 1789–1848–1918“. € 29,90 / 272 Seiten. Molden, Wien 2017

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