Charly Kahr und der tiefe Fall von Österreichs Skilegenden
Irgendwann müsse man für seine Taten geradestehen, sagt eine der beiden Rennläuferinnen, die der Schladminger Ski-Ikone Karl „Charly“Kahr Gewalttaten vorwerfen. Anwalt Manfred Ainedter spricht von einer „glatten Verleumdung“, der österreichische Skiverban
Als die Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg im vergangenen November von Übergriffen bis hin zur Vergewaltigung im Skisport der Siebzigerjahre berichtete, blieb sie nicht lange allein. Schon zwei Tage später sprach eine weitere ehemalige Weltcupläuferin mit dem STANDARD über Machtmissbrauch und Gewalttaten.
In einem Hotel sei sie 1976 am helllichten Tag von einem Trainer gepackt und in ein Zimmer gezerrt worden. In dem Raum hätte sich noch ein weiterer Mann befunden. „Sie waren betrunken, es war ganz brutal“, schildert die Österreicherin den Vorfall in Übersee. Schlimmeres konnte die Frau gerade noch verhindern.
Rund drei Monate später fallen die Namen der beiden Männer in der Süddeutschen Zeitung (SZ): Karl „Charly“Kahr und Toni Sailer. Kahr soll die Frau auf sein Bett geworfen haben. „Neben ihm war noch ein Bett, da lag der Toni Sailer drin, relativ besoffen. Ich glaube, Sailer hatte den Oberkörper frei, er hat auf jeden Fall gegrinst. Kahr hat mir fast die Hand gebrochen.“Dann sei sie ins Badezimmer gelaufen und habe die Tür verriegelt.
Aber warum werden plötzlich Namen genannt? „Irgendwann muss man für seine Taten geradestehen. Warum sollte er so einfach davonkommen? Mir wird heute noch schlecht, wenn ich an die Vorfälle denke“, sagt die Frau im Gespräch mit dem STANDARD.
Sie selbst möchte vorerst anonym bleiben, um ihrer Familie Schwierigkeiten zu ersparen. „Sollte es jedoch zu einer Klage kommen, werde ich zu den Aussagen mit meinem Namen stehen. Ich sage nur die Wahrheit. Ich habe kein Wort dazugedichtet.“Der neu gefasste Mut ist noch einem weiteren Umstand geschuldet: „Ich habe mich entschlossen, Namen zu nennen, weil ich nicht mehr allein dastehe.“
In der Tat erhebt auch eine zweite ehemalige österreichische Weltcupläuferin in der SZ schwere Vorwürfe gegen Kahr. Sie beschreibt einen Vorfall aus einem Winter Ende der 60er-Jahre, zuvor sei ihr Verhältnis zu Kahr gut gewesen: „Kahr ist auf einmal ins dunkle Zimmer gekommen und hat mich vergewaltigt. Er war mein Trainer, du hast zu ihm aufgeschaut als 16-jähriges Mädchen.“
Kahr arbeitete ab 1962 als Trainer, betreute die ÖSV-Damen, die Engländerinnen, wurde 1972 Abfahrtscoach der Herren und amtierte von 1976 bis 1985 als Cheftrainer des ÖSV. Der heute 85-Jäh- rige, für ihn gilt die Unschuldsvermutung, bestreitet die Vorwürfe vehement. Sein Anwalt Manfred Ainedter spricht von „einer glatten Verleumdung“.
Vom Skiverband gab es vorerst keine Stellungnahme. Bis die Staatsanwaltschaft neue Erkenntnisse habe, würden nur PR-Beraterin Heidi Glück bzw. Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic sprechen. Karl Kahr habe versichert, dass die „Vorwürfe haltlos“seien. (phb)