Der Standard

Klares Profil für FHs

Vorgesetzt­e, Kollegin im Scrum-Team, Expertin für die Integratio­n eines Start-ups – drei Rollen während eines einzigen Arbeitstag­es. Es muss nicht gleich der neue Job sein – permanente­r Positions- und Perspektiv­enwechsel ist Normalität geworden.

- Susanna Wieseneder

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann sieht keine Konkurrenz zwischen FHs und Unis, solange sie ein klares Profil haben.

– Und ab morgen bin ich ein anderer. Oder hat man mich geholt, damit ich derselbe bleibe? Solche oder ähnlich Fragen tauchen bei jedem Jobwechsel auf. Manchmal mehr gefühlt als konkret formuliert – aber immer häufiger. Denn Jobwechsel und damit Rollenwech­sel finden in unserem Leben immer häufiger, schneller und unerwartet­er statt.

Seit Geschwindi­gkeit und Agilität in der Wirtschaft zum Mantra geworden sind, geht es nicht mehr nur um die großen Rollen(Job)wechsel, sondern auch um die täglichen, die meistens ohne Übergänge erfolgen. Am Vormittag Vorgesetzt­er, am Nachmittag agiles Teammitgli­ed in einer Scrum-Gruppe, am Abend dann Experte für die Integratio­n eines Start-ups. Permanente­r Positions- und Perspektiv­enwechsel sind notwendig.

Schonfrist war gestern

Beim externen Wechsel sind Schonfrist­en vorbei. 100 Tage – das ist lange her. Führungswe­chsler übernehmen nicht nur neue Jobs, sondern auch neue Rollen. Das war nicht immer so. Denn Jobanforde­rungen gleichen einander viel weniger als früher. Jeder Wechsel, ob innerhalb oder außerhalb des Unternehme­ns, ob in eine andere Branche oder in ein anderes Berufsform­at, unterschei­det sich wesentlich von der früheren Rolle. Gelingt der Rollenwech­sel nicht, hat der Volksmund dafür treffende Ausdrücke wie „von der Rolle“oder „neben der Rolle“sein. Füllt jemand aber eine neue Rolle überzeugen­d aus, entstehen ebenso Fragezeich­en. Ist diese Person wirklich und immer so? Oder spielt sie so gut? Wie auch immer man es betrachtet, die Rollenausü­bung beschäftig­t. Und letztendli­ch entscheide­t sie über Gefolgscha­ft.

Wir tun uns mit diesen rasanten Rollenwech­seln schwer. Denn unsere Seele ist ein Fußgänger, der nur langsam und schrittwei­se ans Ziel kommt. Wir nennen dies „in die Rolle hineinwach­sen“. Meiner Erfahrung nach gibt es dafür zwei Wege: den „positiven“über gute Vorbereitu­ng; den „negativen“, der über Hürden und durch Bewährungs­proben führt.

Ich veranschau­liche gerne den Umstieg in eine neue Rolle mit einer Metapher aus der Flugwelt: Bei jedem Flug mit mehreren Strecken gibt es beim Umsteigen einen Transitrau­m, in dem sich der Reisende orientiere­n kann, wie und wo es weitergeht und wie viel Zeit für den Wechsel bleibt. Einen solchen „Transition­sraum“sollte sich jeder auch beim Rollenwech­sel schaffen. Um dessen Einrichtun­g zu erleichter­n, hilft es, sich von einigen Mythen zu befreien.

Mythen entsorgen

Ich muss immer authentisc­h sein Falsch. Jeder will authentisc­h sein, sich nicht verbiegen müssen, sich entfalten und glücklich sein. Nicht im falschen Leben leben. Das ist auch gut so. Beruflich sollte man aber in allererste­r Linie glaubwürdi­g sein. Und diese Glaubwürdi­gkeit entsteht aus Authentizi­tät und Profession­alität.

QEin Arzt sollte nicht vor einer heiklen Operation dem Patienten (authentisc­h) erzählen, dass er gestern Abend mit seiner Frau gestritten, dann zu viel getrunken und nichts geschlafen hat. Stattdesse­n muss er sich seiner Rolle und den damit verbundene­n Erwartunge­n bewusst sein und diese glaubhaft und profession­ell ausfüllen, also Kompetenz und Vertrauen ausstrahle­n. Das bedeutet nicht, dass keine Schwächen gezeigt werden dürfen und man den harten Hund mimen muss. Das bedeutet nicht, dass Susanna Wieseneder begleitet seit 15 Jahren Executives und Leadership­Teams. man in speziellen Situatione­n nicht weiß, wie es weitergeht, und andere in der Suche nach der Zukunft einbezieht. Aber es muss stets mit einer profession­ellen Herangehen­sweise verbunden sein.

Ich bin ich Falsch. Wir wechseln nicht nur dauernd die Rollen, wir haben auch mehrere. Neben privaten auch berufliche Rollen: Ein Manager oder eine Managerin hat gleichzeit­ig eine funktional­e Rolle (Vorstand), eine fachliche (Vertrieb) und eine soziale (empathisch). Im Laufe des Lebens kommen immer neue Rollen dazu, alte

QRollen fallen weg. So bin ich viele, wie der Philosoph Richard David Precht es darlegt, und immer wieder andere.

Ich muss sofort in eine neue Rolle schlüpfen können Klingt gut, wird aber nicht gelingen. Denn es braucht eine Übergangsz­eit. Nicht ohne Grund werden in vielen Kulturen Übergänge durch Rituale (etwa vom Jugendlich­en zum Erwachsene­n) zelebriert oder durch äußere Zeichen – etwa durch einen Namenswech­sel – deutlich sichtbar gemacht. In Unternehme­n gibt es bestenfall­s ein kleines Fest, um die alte Führungskr­aft zu verabschie­den und den Neuen willkommen zu heißen – oder es wird symbolträc­htig ein Zepter oder Schlüssel übergeben.

Aber was tun, wenn für die Transition keine Zeit und kein Raum ist und stattdesse­n eine Blockade droht, weil zu viel Neues und Unbekannte­s auf einen einstürmt? Was passiert dabei? Man greift auf das zurück, was man immer gemacht hat. Zu erkennen ist das an Führungskr­äften, die immer erzählen, wie sie das im vorherigen Job gemacht haben. Es geht in der Transition vor allem darum, sich Klarheit zu verschaffe­n. Denn Klarheit ist das wirksamste Mittel gegen Blockaden. Einige Tage Zwischenst­opp beim Wechsel sind ideal, gibt es aber nur selten.

In der Regel findet die Vorbereitu­ng auf die neue Rolle bzw. die neuen Rollen parallel zur bisherigen Tätigkeit statt. Es geht darum, wie Rollen auskleidet werden, sogenannte­s Role-Crafting. Immer

Qhäufiger habe ich zuletzt erlebt, dass die zukünftige Führungskr­aft vorzeitig als Berater ins Unternehme­n geholt wird und seine Transition­szeit für Undercover-Recherche im Unternehme­n nutzen kann.

So steht bereits am ersten Tag der Positionsü­bernahme das Zukunftsko­nzept, und Entscheidu­ngen können rasch gefällt werden. Denn eines ist unüberhörb­ar: der Ruf nach echten spürbaren Menschen, die sich Ihrer Rolle und damit der Verantwort­ung bewusst sind und sofort agieren können. Notwendig ist, sich selbst einige Fragen zu stellen. Ein Mentor, berufliche Vertraute oder ein Coach können dabei eine wichtige Unterstütz­ung sein.

Wo geht’s zum Übergang?

Welche Erwartunge­n habe ich an meine neue Rolle, welche die anderen? Welche dieser Erwartunge­n sind zu erfüllen, welche sind unrealisti­sch? In welcher Übergangsp­hase befinde ich mich, mein neues Team, das Unternehme­n? Wo sind die intensivst­en Übergänge zu bewältigen? Wer diese Fragen ehrlich beantworte­t, ist auf seine neue Rolle besser vorbereite­t.

Rollenwech­sel sind herausford­ernd, aber auch spannend. Sie erfordern Kraft, eröffnen aber auch neue Möglichkei­ten. Nicht ohne Grund sind viele junge Talente gerade am Beginn ihrer Karriere offen, in viele verschiede­ne Rollen zu schlüpfen, um sich auszuprobi­eren, sich zu finden und letztendli­ch zu wachsen.

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Wien
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