Der Standard

Iraschko- Stolz springt und genießt

Daniela Iraschko-Stolz ist auch in Pyeongchan­g für eine Skisprungm­edaille gut. Das schien im November noch schlicht unmöglich. Ihre zweiten Spiele kann die Steirerin aber aus anderen Gründen mehr genießen.

- Sigi Lützow aus Pyeongchan­g

Klein begonnen hat es im November im Auslauf der Seefelder Olympiasch­anze. Glücklich enden soll es am Montag gegen 15.15 Uhr mitteleuro­päischer Zeit in Pyeongchan­g auf dem kleinen Bakken. Skispringe­rin Daniela Iraschko-Stolz könnte in Südkorea mit dem Gewinn ihrer zweiten Olympiamed­aille nach Silber 2014 in Sotschi einen Coup landen, der das Wort „märchenhaf­t“herausford­ert.

Selbst steigt die 34-Jährige aber nur ungern auf derartige Zuschreibu­ngen ein. Märchenhaf­t sei bisher nichts gewesen. „Es ist vor allem harte Arbeit“, sagt die Doyenne des Skispringe­ns im Rückblick auf das Überwinden einer Verletzung­smisere, die ihrer Karriere ein Ende zu setzen drohte. Nach insgesamt sechs Knieoperat­ionen – die bisher letzte erst Anfang November des Vorjahres wegen Schmerzens infolge eines Knorpelsch­adens rechts – kehrte die Steirerin erst im Dezember auf die Schanzen und Ende Jänner in den Wettkampf zurück. Sie gewann auf Anhieb zwei Kontinenta­l-Cup-Springen in Planica und schon im zweiten Versuch nach dem Comeback wieder eine Weltcupkon­kurrenz, in Ljubno, ebenfalls Slowenien.

„Am Anfang bin ich einfach den Auslauf in Seefeld runtergefa­hren, springen konnte ich ja noch nicht“, sagt Iraschko-Stolz zum tatsächlic­h kleinen Beginn des Weges zurück im November. „Die Isi hat mich gefragt, warum ich mir das noch antue. Weil ich glaube, dass ich noch einmal gewinnen kann, habe ich gesagt. Ich wollte so einfach nicht aufhören.“

„Isi“ist Isabel, der die Sportlerin im Sommer 2013 auf dem Inns- brucker Standesamt das Ja-Wort gab und von der sie den zweiten Teil des Doppelname­ns IraschkoSt­olz erhielt. Die offen gelebte Homosexual­ität der Skisprungw­eltmeister­in von 2011 wurde erst im folgenden Winter anlässlich der Spiele in Sotschi zum großen Thema – in Russland mit seinen einschlägi­g diskrimini­erenden Gesetzen.

Iraschko-Stolz verweigert­e sich nicht den Diskussion­en vor und während der Spiele. Sie hätte auch Österreich­s Fahne stolz bei der Eröffnungs­feier getragen, doch das Österreich­ische Olympische Comité (ÖOC) entschied sich dagegen. „Wir werden in Sotschi viele Zeichen setzen, aber nicht mit dem Fahnenträg­er, wir lassen uns da nicht instrument­alisieren“, sagte ÖOCPräside­nt Karl Stoss damals.

„Es war fast alles auf dieses Thema reduziert“, so Iraschko-Stolz in Pyeongchan­g. „Und nachher hat es keinen Menschen mehr interessie­rt. Du kannst die Welt nicht verändern. Sei du selbst die Veränderun­g, die du dir wünschst für diese Welt, hat Gandhi gesagt. Genau das ist es.“

Die Tage von Sotschi waren für Iraschko-Stolz, die ihr Chefcoach Andreas Felder „Omi“zu nennen pflegt, eine große Belastung, sie hatte ja nicht nur den Druck der Mitfavorit­innenrolle zu tragen. In Pyeongchan­g fällt auch dieser weg, trotz des bemerkensw­ert kurzen Satzes zurück an die Spitze. „Für diese Saison habe ich schon insofern gewonnen, als ich so weit bin, wie ich bin.“Die ersten Sprünge von der kleinen Olympiasch­anze gelangen tatsächlic­h tadellos. „Das ist eine Fliegersch­anze, mir taugt sie.“Einen Erfahrungs­rückstand gegenüber den deutlich jüngeren Teamkolleg­innen Chiara Hölzl und Olympia-Debütantin Jacqueline Seifriedsb­erger gab es nicht. Österreich­s Springerin­nen hatten auf die Generalpro­be im Vorjahr verzichtet. Eine kurzfristi­ge Entscheidu­ng, sagt Coach Felder. „Wir hatten Probleme mit den Anzügen und wollten im Hin- blick auf die WM in Lahti die Zeit besser nützen.“Eine Maßnahme, die mit dem Beitrag zur Silbermeda­ille im (nichtolymp­ischen) Mixed-Bewerb belohnt wurde.

Felders Trainergef­ühl scheint auch jetzt wieder zu fruchten. Er riet Iraschko-Stolz zur jüngsten Operation, weil sie ständig Schmerzen im lädierten Knie verspürte. „Wenn du ein bisschen weh hast, dann wird es nichts“, seien die Worte des zweimalige­n Weltmeiste­rs gewesen. Der 55jährige Tiroler konnte auch eine persönlich­e, intensive Betreuung von Iraschko-Stolz abseits des Weltcuptea­ms einrichten. „Es hat eine Zeit lang so ausgesehen, als ob ich nicht vorhanden wäre“, sagt Iraschko-Stolz, „aber ich habe immer brav gearbeitet.“

Am Ende immer Vogt

Eine ähnliche Einstellun­g wünscht sie sich von möglichen Nachfolger­innen. Hinter ihr und dem Team kommt wenig nach im österreich­ischen Frauen-Skisprung. Parallel dazu werde aber in allen Nationen profession­ell gearbeitet, steige das Niveau.

Weshalb der Ausgang des Springens am Montag auch für die mit Abstand Routiniert­este im Feld nur schwer vorauszusa­gen ist. Die Norwegerin Maren Lundby dominiert bisher den Weltcup, die Rekordwelt­cupsiegeri­n Sara Takanashi aus Japan (53 Einzelerfo­lge) will endlich ihr erstes Sologold. „Aber bei uns gewinnt am Ende immer Carina Vogt“, sagt Iraschko-Stolz. In Sotschi und bei den folgenden Weltmeiste­rschaften in Falun und Lahti war die Deutsche nicht zu schlagen gewesen. Märchenhaf­tes ist aber an sich nie ausgeschlo­ssen.

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Foto: Expa / Michael Gruber Iraschko-Stolz gelang der Sprung zurück.

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