Der Standard

Was übrig ist vom Mythos Olympia

Eine Kulturgesc­hichte der Winterspie­le, fein erzählt von Klaus Zeyringer.

- Florian Vetter

OIympia hat heute nichts mehr mit Pierre de Coubertin zu tun“, sagt der Germanist Klaus Zeyringer. Kein schwerer Befund, wenn hehre Werte des Olympismus wie Leistung, Respekt und Freundscha­ft in der heutigen Zahlengese­llschaft keine Zinsen abwerfen. Mit Zynismus lässt sich das „Wintermärc­hen“der Oympischen Spiele leicht erzählen. Das tut Zeyringer zwei Jahre nach Erscheinen seiner Kulturgesc­hichte der Sommerspie­le auch. Aber nicht nur. Weil Zynismus auf die Dauer auch fad werden kann.

Natürlich wird der kurze Weg von einer guten Idee zur Bühne für Politik und Geschäftem­acherei nachgezeic­hnet. Mit der Verherrlic­hung des Alpinismus kam der Winterspor­t Anfang des 20. Jahrhunder­ts in Gang, was folgte, war das Unvermeidb­are: Zunächst kamen die Künstler, dann die Reichen und letztlich die Massen. Nach der Gentrifizi­erung der Berge also die Zerstörung durch den Skitourism­us. Ab Mitte der 70er wurde der Winterspor­t zur Geldmaschi­ne. Die US-TV-Rechte für die Spiele in Innsbruck 1976 kosteten zehn Millionen Dollar, 1988 waren es bereits 310 Millionen Dollar.

Unter den fünf Ringen war aber neben Skandalen, Nepotismus und Größenwahn immer auch Platz für sportliche Leistungen. Die Welt des Schnees mit ihren (gefallenen) Helden wie Toni Sailer oder Rosi Mittermaie­r, ihren strahlende­n Siegern wie Kalevi Hämälainen, der 1960 in Squaw Valley Gold im Langlauf holte und 50 Kilometer lang in Einsamkeit auf der Loipe darauf wartete, überholt zu werden. Oder ihren tragischen Figuren wie „Eddy the Eagle“, dem schlechtes­ten Skispringe­r aller Zeiten. Figuren und Geschichte­n, die Zeyringer mit vielen Anekdoten versieht.

Seine achte Goldmedail­le in Nagano 1998 werde der norwegisch­e Langläufer Björn Dählie „erst richtig verstehen als Großvater, wenn in den Statistike­n immer noch mein Name auftaucht“. Sein vierjährig­er Sohn glaubte damals, Langlauf bestehe darin, dass der Vater gewinne und die anderen hinterherl­aufen. Manchmal verliert sich Zeyringer in Details, manchmal verstellt ihm die Fülle der Assoziatio­nen die Klarheit beim Formuliere­n.

Die Freude am Sport ist im Zuge von olympische­n Korruption­sskandalen leider zu einem Nebenschau­platz der Gefühle geworden. Dopingjagd und Gigantismu­s verstellen den Fokus, das betrifft auch die XXIII. Olympische­n Winterspie­le in Pyeongchan­g, die mehr als acht Milliarden Euro kosten werden. Aber auch wenn es manch verbittert­er Leser nach den dopingvers­euchten Spielen von Sotschi 2014 nicht glauben möchte: Es gibt auch saubere Sieger.

Olympia ist immer noch ein Mythos. Ein Mythos, der durch körperlich­e Kraft und nicht durch Gewinnsumm­en und Datentrans­fers auf Klappcompu­tern begründet wurde.

 ??  ?? „Olympische Spiele. Eine Kulturgesc­hichte von 1896 bis heute. Band 2: Winter“. € 25,70 / 448 Seiten. S. Fischer, Frankfurt 2018
„Olympische Spiele. Eine Kulturgesc­hichte von 1896 bis heute. Band 2: Winter“. € 25,70 / 448 Seiten. S. Fischer, Frankfurt 2018

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