Der Standard

Noch immer ein Stachel

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Manchmal ist eine Werkausgab­e ein Mausoleum erster Klasse. So im Fall des gebürtigen Augsburger­s Bertolt Brecht (1898–1956). Dessen Gesamtedit­ion, die Große kommentier­te Berliner und Frankfurte­r Ausgabe, umfasst 30 Bände. Wer stellt sich die ins Regal, wer nimmt die in die Hand? Und: Wer will schon all die späten Dramen lesen, als Brecht hartleibig­er Marxist geworden war? Vergessen dabei wird: Als Lyriker ist er famos, ja staunenswe­rt springlebe­ndig geblieben. Das zeigt die Gedichtaus­wahl 100 Gedichte, die der Suhrkamp-Verlagsche­f Siegfried Unseld vor 20 Jahren traf und die jetzt Katharina Thalbach und Sylvester Groth eingelesen haben. Witz, Wortspiel, Ironie, auch Melancholi­sches sind in Fülle zu finden. Durch die chronologi­sche Anordnung, vom Choral vom Manne Baal bis zu den späten Buckower Elegien, erlebt man alle Phasen und Tonlagen. Thalbach, sachte quäkend wie immer, und Groth, mal stoisch, mal mitreißend beschwingt, rezitieren die Poeme angenehm ruhig und pathosfrei. Alexander Kluy

Bertolt Brecht, „100 Gedichte“. Ausgewählt von Siegfried Unseld. € 22,50 / 179 min. Der AudioVerla­g, Berlin 2018

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