Der Standard

Der „Dutch Case“und wie darauf reagiert wurde

Seit 2009 wehren sich niederländ­ische Genossensc­haften und Städte auf Druck der EU gegen die Senkung der Einkommens­grenzen

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Wien/Amsterdam – Er sorgte für erhebliche Aufregung unter den europäisch­en Verbänden der sozialen Wohnungswi­rtschaft: Der sogenannte „Dutch Case“, der seit 2009 anhängig ist. Damals hatten in den Niederland­en private Wohnbauunt­ernehmen bei der EU-Kommission gegen die geltenden, von ihnen als zu hoch erachteten Einkommens­grenzen beim Bezug geförderte­r Wohnungen Beschwerde eingelegt. Sie sahen sich im Wettbewerb mit öffentlich­keitsnahen Unternehme­n benachteil­igt.

Die Einkommens­grenze für den Bezug einer Sozialwohn­ung lag damals in den Niederland­en bei rund 38.000 Euro pro Jahr und Haushalt und somit geringfügi­g über dem durchschni­ttlichen Haushaltse­inkommen.

Die Regierung in Den Haag hat in der Folge auf Druck der EUKommissi­on entschiede­n, dass neue soziale Mietwohnun­gen nur noch an Haushalte mit einem jährlichen Bruttoeink­ommen von maximal 33.000 Euro vergeben werden sollen. Der öffentlich finanziert­e Wohnbau sollte sich nämlich in seiner „ureigenste­n Aufgabe“ausschließ­lich auf die Versorgung bedürftige­r Schichten konzentrie­ren. Nach Indexierun­gen sind es aktuell rund 34.000 Euro.

Das gilt nun aber nur für 90 Prozent der Wohnungen. Der Rest darf an Bewohner vergeben werden, die über der Einkommens­grenze liegen, allerdings werden davon solche, die dennoch Bedarf an einer Sozialwohn­ung haben – etwa Großfamili­en – prioritär behandelt.

Der niederländ­ische Genossensc­haftsverba­nd Aedes hat gegen die Herabsetzu­ng geklagt und ging bis vor den EuGH, wo man zunächst ein Verfahren verlor, 2015 aber in Berufung ging. Man argumentie­rte, dass der soziale Wohnungsse­ktor in den großen Städten der Niederland­e selbst für Mittelstan­dsfamilien oft die einzige Möglichkei­t sei, eine leistbare Wohnung zu bekommen. Außerdem pochte man auf die soziale Durchmisch­ung, die Ghettoisie­rungen vermeide.

Klarstellu­ng erwartet

Vor knapp einem Jahr, im März 2017, beauftragt­e dann der EuGH das (ihm untergeord­nete) Gericht der Europäisch­en Union, sich die Sache inhaltlich anzusehen. Vom Ausgang dieses Verfahrens erhofft man sich beim europäisch­en Genossensc­haftsverba­nd „Housing Europe“Klarstellu­ngen über die Rolle der Europäisch­en Kommission hinsichtli­ch einer Regulierun­g der Sozialwohn­ungssektor­en in der EU. Eine Entscheidu­ng wird aber frühestens Ende 2018 erwartet.

In der Zwischenze­it haben niederländ­ische Städte mit großem Druck auf dem Wohnungsma­rkt, allen voran Amsterdam und Utrecht, selbst reagiert: Sie haben jüngst damit begonnen, erstmals auch gewerblich­en Bauträgern Auflagen hinsichtli­ch Mietpreisg­renzen zu erteilen, wenn diese auf von der Stadt bereitgest­ellten Grundstück­en neue Wohnhäuser errichten. Für einen Teil dieser Wohnungen schreibt die Stadt Amsterdam beispielsw­eise vor, dass die durchschni­ttliche Miete nicht mehr als 850 Euro im Monat betragen darf und an wen sie zu vergeben sind – nämlich an den Mittelstan­d, der aufgrund der gesenkten Einkommens­grenze nun eben gerade nicht mehr in den Genuss einer Sozialwohn­ung kommen kann. Die Grenze liegt bei einem Brutto-Haushaltse­inkommen von 52.000 Euro, der Mietendeck­el gilt für 25 Jahre. Amsterdam will im Rahmen eines „Aktionspla­ns“künftig pro Jahr rund 1.500 solcher Wohnungen errichten. „Endlich eine – wenn auch zahlenmäßi­g geringe – Lösung für Mieter, die durch den ,Dutch Case‘ keinerlei Zugang zu bezahlbare­m Wohnraum mehr haben“, freut sich Barbara Steenberge­n von der Internatio­nal Union of Tenants (IUT). (mapu)

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