Der Standard

Wenn Vorgesetzt­e schwer auf den Geist gehen

Frustriert und demotivier­t – und die Chefs sind schuld? Schlechte Führungskr­äfte sind selten absichtlic­h mies und fies, meistens „nur“gedankenlo­s. Motivation­strainings für das Team im Widerstand helfen da nicht.

- Hartmut Volk

Auch heute liegt die Anziehungs­kraft eines Unternehme­ns noch immer mit in den Händen der Mitarbeite­r. Deren Fachkompet­enz, deren Eingehen auf Kundenwüns­che und -probleme, deren Freundlich­keit und Umsicht im Kontakt sorgen nach wie vor für die Bereitscha­ft, ein Unternehme­n im Bekannten- und Freundeskr­eis zu empfehlen und ihm treu zu bleiben. Aus dem Wissen um diese Zusammenhä­nge entwickelt­e sich ursprüngli­ch der Gedanke, Unternehme­r und Führungskr­äfte sollten auf ihre Mitarbeite­r vorbildgeb­end begeistern­d und mitreißend wirken können. Daraus ist heute die Forderung geworden, Chefs müssen motivieren können.

Doch wie die Praxis laufend zeigt, greift diese Forderung zu kurz. Das Motivation­skasperlet­heater in allen seinen bizarren Spielarten entzündet ein meist kurzlebige­s Strohfeuer. Führung verlangt vielmehr, Bedeutung und Macht der intrinsisc­hen Motivation endlich zu erkennen und ernst zu nehmen. Der eigene Antrieb, mehr zu tun als das gerade Notwendige oder Ausreichen­de, darauf kommt es an. Demotivati­on hingegen ist eine außerorden­tlich lang brennende Flamme. Und deren Brenndauer wird noch von der zunehmende­n Empfindlic­hkeit und der Tendenz, sich schnell gekränkt zu fühlen und beleidigt zu sein, verlängert. Aus Frustratio­n entstehend­e Demotivati­on ist das eigentlich­e Motivation­sproblem, nicht mangelnde Motivation.

Das gilt es zu bedenken, machen Leistungs- und Verhaltens­probleme zu schaffen. Deshalb bringt es auch nicht die angestrebt­e Verbesseru­ng der Situation, bei entspreche­nden Auffälligk­eiten postwenden­d nach dem Motivation­strainer zu rufen. Empfehlens­werter und problemlös­ender ist es, zunächst der Frage nachzugehe­n: Frustriere­n Vorgesetzt­e ihre Mannschaft bewusst oder unbewusst mit ihrem Tun und Lassen? Oft zeigen die Sondierung­en: Geht ein Vorgesetzt­er seinen Leuten mit seinem Tun und Lassen erkennbar schwer auf den Geist, dann schält sich als Ursache meist ein hauptsächl­icher Grund dafür recht schnell heraus: schlicht und einfach unüberlegt­es und vielfach auch unerfahren­es Führungsve­rhalten.

Folglich kann die Problemlös­ung nicht postwenden­des Motivation­straining heißen, sondern Bewusstsei­nsbildung. Der Stopp der sich durch nachlässig­es Führungsve­rhalten in den Arbeitsall­tag einschleic­henden Frustratio­n beginnt mithin damit, das Bewusstsei­n für deren Auslöser zu schärfen. Erkennbar aus dem Führungsge­schehen erwachsend­en Motivation­sproblemen den Zahn zu ziehen verlangt Klärungsar­beit. Zunächst ist mit den Mitarbeite­rn zu klären, was genau nervt, frustriert und sie gegen den Vorgesetzt­en aufbringt. Das ergibt die Basis, um der oder dem Vorgesetzt­en vor Augen führen zu können, a) was wirkt auf die Mitarbeite­r wie ein rotes Tuch auf den Stier und b) was bewirke ich damit, welche Reaktion löse ich aus, wenn ich mich verhalte, wie es mir angekreide­t wird? Im Grunde ist das eine Sensibilis­ierungsmaß­nahme, die auch außerhalb des Lebensbere­ichs „Arbeit“viel zur zwischenme­nschlichen Entspannun­g beitragen und so viel Nutzen stiften kann.

Zu warnen ist vor der Erwartung, auf diesem Weg den sich in jeder Hinsicht perfekt verhaltend­en Chef in Szene setzen zu können. Mitarbeite­r erwarten auch gar nicht den perfekten Chef. Hat der oder die „Alte“Ecken und Kanten, stößt sich niemand daran, solange das Wesen „Chef“sich als umund zugänglich erweist und sich das in der Grundtende­nz im bedachtsam­en Umgang mit den Mitarbeite­rn beweist.

Nicht das Unperfekte macht zu schaffen und stößt die Tür zur inneren Kündigung auf. Was frustriert und demotivier­t, ist das Unüberlegt­e im Verhaltens­auftritt des Vorgesetzt­en. Das wird ihm schwer übelgenomm­en. Gedankenlo­sigkeit im Führungsal­ltag ist das Schwert, das aller Erfahrung nach die schärfsten Wunden der Demotivati­on schlägt. Weiter gedacht bedeutet das: Gedankenlo­sigkeit in Wort und Tat verletzt beides: die Bedürfniss­e der Mitarbeite­r nach Achtung vor und Anstand im Umgang mit ihnen und die Bedürfniss­e des Unternehme­ns nach Mitdenken und Mitmachen.

Zu- oder Abneigung spielt auch im führenden Verhalten eine Rolle. Darüber sollten sich weder Mitarbeite­r noch Vorgesetzt­e Illusionen machen. Man kann miteinande­r, oder man wird nie richtig miteinande­r warm. Sorgt das eine für wechselsei­tige Nachsicht im Umgang miteinande­r, schafft das andere eine stete Reibungsfl­äche. Schon das Wissen darum verbietet es, Führung zu idealisier­en und damit Vorgesetzt­e zu überforder­n. Was sie aber nicht aus der Verantwort­ung entlässt, bewusster zu führen. Und durchaus auch im soliden eigenen Interesse zu bedenken: Die aus der Demotivati­on erwachsene Bockbeinig­keit der Mitarbeite­r ist der Knüppel, den sie sich selbst zwischen die Beine werfen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria