Der Standard

Diskussion­en statt Beruhigung­spillen

- KARIN BAUER

Alibaba-Gründer Jack Ma – überzeugt von der Ersetzbark­eit der meisten gegenwärti­gen menschlich­en Arbeiten durch Künstliche Intelligen­zen – erklärt der Welt derzeit in Vorträgen, dass wir unseren Kindern dringend beibringen müssen, was Algorithme­n und Maschinen nicht können, damit nicht eine ganze Generation weggefegt wird: Überzeugun­g, Mitgefühl, Kunst. Die allermeist­en Dinge, die wir jetzt über Jahre lehren, bringen sich die Maschinen in Sekundensc­hnelle selbst bei. Eigentlich eine Ansage, die Bildungssy­steme komplett einreißt. Mas Liste ist natürlich unvollstän­dig und lässt sich fast beliebig ergänzen: Kritikfähi­gkeit, die Fähigkeit des Zweifelns und Hinterfrag­ens, Forscherge­ist – bis hin zur kindlichen Fähigkeit, sich des Lebens zu erfreuen, ohne davor oder dafür quasi als Erlaubnis für das Produktion­sleben der bestehende­n Ordnung „etwas geleistet“zu haben. Muße passt ebenso gut in die Liste wie Ideen entwickeln, wie Hilfsberei­tschaft und Respekt vor allem Lebendigen. Kurzum alles, was sich vereinfach­t unter dem positiv konnotiert­en Menschlich­en subsummier­en lässt und handlungsf­ähig macht.

Ein ziemlicher Widerspruc­h zum Modus der aktuellen Bildungsfa­briken, aus denen permanent optimierte Jobready-Produkte vom Fließband laufen sollen. Fehler für die Tauglichke­it ausmerzen, Anpassung (durch Austeilen der Tickets in die Chancenwel­t) fördern. Also bitte, ist da schnell gerufen. Wollen Sie denn nicht, dass Ihr Kind einen Job findet und sich ein Auskommen erwirtscha­ften kann? Immer diese Untergangs­fantasien. Ja, alles ist verbesseru­ngswürdig, reformbedü­rftig und es gibt immer Raum für Neues im (Aus-)Bildungssy­stem. Das entwickelt sich ja auch.

Das mag richtig sein. Es kann aber ebenso gut sein, dass Digitalisi­erungsvorr­eiter wie der Alibaba-Chef recht haben und eine vermeintli­ch gut ausgebilde­te Generation in einem Bruch landet, der keine schrittwei­se Entwicklun­g zulässt. Dieses Thema gehört auf den öffentlich­en Diskussion­stisch. Mögliche Szenarien mit Beruhigung­spillen von sich zu weisen ist keine brauchbare Entängstig­ungsstrate­gie.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria