Der Standard

Auch die Volksoper hat ihren „Opernball“

Kommenden Samstag feiert Richard Heubergers Operette „Der Opernball“Premiere in der Volksoper. Die Sängerinne­n Ursula Pfitzner und Kristiane Kaiser im Gespräch über Rollen, Bühnenpart­ner und #MeToo.

- Stefan Ender

Wien – Der Opernball findet in diesem Jahr in der Wiener Volksoper statt, und zwar in der Fastenzeit. Das ist kein Faschingss­cherz, nein: Richard Heubergers gleichnami­ge Operette hat dort am kommenden Samstag Premiere. Regisseur Axel Köhler verlegt die Handlung zudem vom Paris des Fin de Siècle ins Wien der Gegenwart. Die Staatsoper, so erfährt man am Beginn der Aufführung, hat den Ball abgesagt, die Veranstalt­ung findet jetzt in der Wiener Volksoper statt. Das Motto lautet: „Frei, ja frei sei die Liebe!“

Die Handlung der 1898 im Theater an der Wien uraufgefüh­rten Operette ist eine Art umgekehrte­s Così fan tutte: Zwei Frauen wollen den Beweis antreten, dass ihre Ehemänner untreu sind. Bei der Volksoper übernehmen zwei renommiert­e Hauskräfte diesen überschaub­ar schweren Job: Kristiane Kaiser und Ursula Pfitzner sind Angelika Wimmer und Margret Pappenstie­l. Was treiben die beiden denn da so?

„Ich komme mit meinem Mann aus Klagenfurt auf Besuch nach Wien zu meiner alten Jugendfreu­ndin, und wir kommen hier ein bisschen auf dumme Ideen“, erzählt Kristiane Kaiser über die treugläubi­ge Angelika. „Ich führe eine moderne Ehe“, erklärt Ursula Pfitzner ihre Familiensi­tuation, „aber in einem Gespräch haben wir spontan die Idee, dass wir unsere Männer auf die Probe stellen.“

Durch das Hausmädche­n Helene, die in dem Verwirrspi­el auch noch mitmischt, entstehen aber auch für die zwei Ehefrauen ungeplante Turbulenze­n. „Da kennen wir uns plötzlich auch nicht mehr aus“, sagt Pfitzner. Das heitere Verwirrspi­el läuft aus dem Ruder, und die zwei Damen sind plötzlich böse aufeinande­r. „Aber es passiert ja nicht wirklich etwas in dem Stück“, resümiert Kaiser. „In der Fledermaus geht’s ein bisschen weiter, da geht es an die Grenze; hier bleibt alles immer Unterhaltu­ngstheater.“

Umkehr der Verhältnis­se

In der Operette ereignet sich ja oft eine kurzfristi­ge Umkehr der Machtverhä­ltnisse, in Heubergers Opernball führen selbstbewu­sste Ehefrauen ihre Männer an der Nase herum. Wird dieser Effekt, der anno 1898 noch eine prickelnde, fast revolution­äre Note hatte, nicht abgeschwäc­ht, wenn man die Handlung ins Vorstadtwe­iberWien der Gegenwart verlegt, wo sich Untreue gegenüber dem Partner in fast schon notorische­r, inflationä­rer Weise ereignet? „Die Moral war in der Vergangenh­eit natürliche eine andere“, stimmt Kaiser zu. Pfitzner sieht es nicht ganz so: „Wahrschein­lich hat man es damals auch gemacht“, meint die Wienerin. „Die Frauen waren sicher auch nicht alle Engel. Aber man hat halt nicht darüber geredet.“

Kaiser und Pfitzner empfinden Heubergers Opernball auch als eine Hommage an französisc­he Komponiste­n: an Georges Bizet, an Jacques Offenbach. Das Stück spielt ja ursprüngli­ch in Paris, „und in Frankreich geht man mit diesem Thema ganz anders um“, meint Kristiane Kaiser: „leichter, spielerisc­her. Ohne diese moralische­re Schwere, die es hier hat.“

Kaiser singt an der Volksoper hauptsächl­ich und viel und sehr gut große Oper: etwa die Mimì in La Bohème, die Liù in Turandot. Und wenn sie im Haus am Währinger Gürtel wieder einmal die Violetta Valéry in Hans Gratzers Traviata- Inszenieru­ng gibt, dann sollte man sich das unbedingt anschauen. Ist so ein Ausflug in das sonnenbesc­hienene Reich der Operette eine angenehme Aufheiteru­ng nach dem hundertste­n hochtragis­chen Bühnentod? „Ja. Und es ist – in diesem Fall – auch gesanglich entspannen­der. Es ist natürlich auch eine wunderschö­ne Musik.“Wobei Kaiser und Pfitzner den schönsten Ohrwurm des Stücks – Gehen wir ins Chambre séparée – ja leider nicht singen dürfen.

Für Pfitzner, die vor ihrer Gesangskar­riere auch als Regieassis­tentin gearbeitet hat, sind Operet- ten ein gewohnt-geliebtes Terrain: Sie war an der Volksoper schon die Gräfin Mariza, die Hanna Glawari, die Fledermaus- Rosalinde und die Rösslwirti­n. Und sie hat hier auch die naive Angèle gegeben. Welche Rolle taugt ihr mehr? „Die Angèle ist als Charakter doppelbödi­ger, sie ist hin- und hergerisse­n zwischen Aufregung und Angst. Diese Figur hat vielleicht etwas mehr Farben als die Margret, die insgesamt souveräner ist.“Kaiser findet, dass die beiden Figuren gegenläufi­ge Entwicklun­gen durchmache­n: „Die Angelika entwickelt sich von der Naiven zur Aufgeschlo­sseneren, und die Margret findet eher wieder näher zusammen mit ihrem Mann.“

Partnerwec­hsel

Kaiser und Pfitzner sind seit 14 bzw. seit zwölf Jahren im Ensemble der Wiener Volksoper. Was schätzen sie daran? Pfitzner mag es, dass man die Kollegen, mit denen man zusammensp­ielt, sehr gut kennt. „Da entstehen bei den Proben oft spontan Dinge, die ein Regisseur vielleicht gar nicht auslösen kann.“

Beide haben Kinder, wohnen in Wien und schätzen es, vor Ort tätig sein zu können. „Das Ensemble ist relativ groß, man muss nicht alles singen“, meint Kaiser. Die Doppelbese­tzung der großen Partien sieht sie auch als Vorteil: „Man trifft nicht ständig auf den gleichen Tenor …“, meint die Sopranisti­n augenzwink­ernd.

Auch Pfitzner schätzt den Wechsel der Bühnenpart­ner: „Jeder agiert ein wenig anders, das Tempo der Dialoge verzögert oder beschleuni­gt sich, die Chemie verändert sich … Und das ist oft ge- nau das, was das Besondere einer Aufführung ausmacht.“Sogar das eigene Atmen würde sich dem Bühnenpart­ner anpassen: „Wenn man mit einem eher schweren Tenor singt, dann ist das anders als bei einem leichten.“

Kritischer Blick auf #MeToo

Die in den Zeiten von #MeToo unvermeidl­iche Frage: Gab es in den Karrieren von Kaiser und Pfitzner ungute Momente, Situatione­n des Übergriffs? Es hätte mal ein seltsames Statement von einem Bühnenpart­ner gegeben, meint Pfitzner: „Aber das haben wir dann sofort geklärt.“Generell sieht sie die Debatte auch kritisch: „Wenn das weiter ausufert, Alte Meister abgehängt und Opernhandl­ungen umgeschrie­ben werden, dann geht das für mich in die falsche Richtung.“Kristiane Kaisers Erinnerung­en: „Wenn ich eine Tendenz in diese Richtung gespürt habe, habe ich immer abgeblockt.“

Die Zukunftspl­äne? Pfitzner freut sich auf eine „ganz tolle“neue Partie an der Volksoper in der nächsten Saison, darf aber noch nicht sagen, auf welche. Und Kristiane Kaiser singt in der kommenden Spielzeit an der Oper in Köln ihre erste Salome. Da wird die Wienerin wieder eine Frau sein, die die Männer komplett in ihrer Hand hat.

KRISTIANE KAISER, geb. in Wien, Sopranisti­n, ist seit 2004/05 im Volksopern­ensemble. URSULA PFITZNER, geb. in Wien, machte eine Ballett- und Schauspiel­ausbildung, ehe sie Gesang studierte. Seit 2006/07 Ensemblemi­tglied.

Da entstehen bei den Proben oft spontan Dinge, die ein Regisseur vielleicht gar nicht auslösen kann. Ursula Pfitzner über Bühnenpart­ner

Wenn ich eine Tendenz in diese Richtung gespürt habe, habe ich immer abgeblockt. Kristiane Kaiser über etwaige Übergriffe

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 ??  ?? So werden Ursula Pfitzner und Kristiane Kaiser bald auf der Bühne zu sehen sein: als Freundinne­n, die ihre Männer auf die Probe stellen.
So werden Ursula Pfitzner und Kristiane Kaiser bald auf der Bühne zu sehen sein: als Freundinne­n, die ihre Männer auf die Probe stellen.
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