Der Standard

Kopf des Tages

Die These der russischen Einflussna­hme auf den US-Wahlkampf erhält neue Nahrung durch eine pikante Korruption­saffäre. Im Zentrum: ein Oligarch auf seiner Yacht, ein Escort-Girl und ein sehr hoher Kremlbeamt­er.

- André Ballin aus Moskau

Der Diplomat und russische Vizepremie­r Sergej Prichodko sieht sich mit einer pikanten Korruption­saffäre konfrontie­rt.

Zur gehobenen Literatur zählt das Tagebuch zur Verführung eines Milliardär­s mitnichten. Trotzdem ist es eines der derzeit am heißesten diskutiert­en Bücher in ganz Russland. Die Autorin Nastja Rybka – eigentlich heiß sie Anastasija Waschukewi­tsch, ein Escort-Girl aus Weißrussla­nd – enthüllt darin eine pikante Affäre mit einem Dollarmill­iardär, den sie „Ruslan“nennt. Ansonsten hält sich die Konspirati­on bei dem Büchlein allerdings in Grenzen, zumal auf ihrem Instagram-Account zumindest bis zum Wochenende zahlreiche Fotos von ihr und „Ruslan“zu sehen waren, der darauf als Oleg Deripaska zu erkennen ist.

Deripaska galt vor zehn Jahren als der reichste Mann Russlands. Selbst nach der Finanzkris­e, die tiefe Risse in seinem AluminiumI­mperium hinterlass­en hat, ist er nach Schätzung von Forbes immer noch 6,7 Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Euro) „wert“– immerhin Platz 19 unter Russlands Oligarchen. In Österreich ist er unter anderem wegen seines Einstiegs bei der Strabag und seiner engen Beziehunge­n zu Magna bekannt. In Russland hingegen gilt er seit langem vor allem als eng mit dem Kreml verbunden.

Wie eng, das wurde nun durch ebenjene Nastja Rybka publik. Deren Account durchforst­eten nämlich Opposition­elle um den Blogger Alexej Nawalny, und sie stießen dabei auf Bild- und Tonaufnahm­en, die neben Rybka und Deripaska auf dessen Luxusyacht auch einen Mann zeigen, der so aussieht wie der Vizepremie­r und Leiter des russischen Regierungs­apparates: Sergej Prichodko.

Nawalny bezichtigt­e Prichodko prompt der Korruption. Dieser habe seinen Urlaub auf der Yacht eines Oligarchen verbracht, zu- mal in Begleitung mehrerer Prostituie­rter – laut Rybka befanden sich immerhin sechs Escort-Mädchen dort. Die Anreise nach Norwegen, wo die Yacht zum Zeitpunkt der Aufnahmen im Sommer 2016 lag, erfolgte mithilfe eines Privatjets von Deripaska. Klingt nach Vorteilsan­nahme und einem Fall für das Ermittlung­skomitee. Stattdesse­n wurde die Medienaufs­ichtsbehör­de aktiv, blockierte mehrere Internetse­iten, auf denen das Enthüllung­svideo zu sehen war, und verbot Medien die Weiterverb­reitung der Bilder.

Außenpolit­iker des Kremls

Das Brisantest­e waren nicht einmal die Korruption­svorwürfe, sondern dass Deripaska und Prichodko auf der Yacht anscheinen­d über die Politik gegenüber den USA verhandelt­en. Deripaska war schon früher von Medien verdächtig­t worden, als einer der Mittelsmän­ner in der Affäre um die mutmaßlich­e Einmischun­g in die US-Wahlen 2016 fungiert zu haben. Immerhin stand Donald Trumps Wahlkampfm­anager Paul Manafort auf der Gehaltslis­te des Oligarchen, er soll ihm im Gegenzug für Schulden auch private Briefings angeboten haben.

Das mögen wacklige Spekulatio­nen sein, da unklar war, welches Interesse ein russischer Oligarch an einer Unterricht­ung über den US-Wahlkampf haben sollte. Für den Kreml allerdings wären diese Informatio­nen durchaus interessan­t, und Prichodko lenkt die russische Außenpolit­ik. Nicht so laut und demonstrat­iv wie Außenminis­ter Sergej Lawrow, aber kaum weniger mächtig.

Wohl auch deshalb landete die Geschichte sofort auf dem Index. Prichodko selbst will sich nicht mit einer Klage in die Öffentlich­keit drängen. Dafür klagt Oligarch Deripaska wegen Verletzung seines Privatlebe­ns. Das Schema wurde schon bei den Korruption­svorwürfen gegen Premier Dmitri Medwedew erfolgreic­h angewandt.

 ??  ?? Der Präsident und einer seiner Oligarchen: Wladimir Putin und Oleg Deripaska beim Apec-Gipfel in Vietnam im vergangene­n November.
Der Präsident und einer seiner Oligarchen: Wladimir Putin und Oleg Deripaska beim Apec-Gipfel in Vietnam im vergangene­n November.

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