Der Standard

ZITAT DES TAGES

Die Zukunft der Tiroler Grünen liegt für Parteichef­in Ingrid Felipe in einer Fortführun­g der Koalition mit der ÖVP. Offen bleibt, wie sie das mit der Rückbesinn­ung auf grüne Grundwerte vereinbare­n will.

- INTERVIEW: Steffen Arora

„Ich glaube, viele Menschen hätten vieles anders gemacht, wenn sie gewusst hätten, wie der 15. Oktober ausgeht.“

Die Parteichef­in der Tiroler Grünen, Ingrid Felipe, über die Lehren aus der Nationalra­tswahl für die Bundespart­ei

STANDARD: Im Wahlkampf setzen Sie auf das Thema Umweltschu­tz – als Rückbesinn­ung auf alte Werte? Felipe: Wir konnten in den vergangene­n fünf Jahren sehr viele Umwelt- und Klimaschut­zthemen vorantreib­en. Der Schutz der Kalkkögel, die Ausweisung der Isel als letzter frei fließender Gletscherf­luss oder die Tarifrefor­m im öffentlich­en Verkehr, das ist die grüne Handschrif­t in der Landesregi­erung. Die zeigt sich auch beim massiven Umdenken, das nun im Kampf gegen den Transit passiert ist. Die Forderunge­n nach Korridorma­ut und LkwObergre­nze, die nun erfreulich­erweise auch der Landeshaup­tmann mitträgt, haben wir Grüne schon vor Jahren in der Opposition gestellt. Den Lufthunder­ter und das sektorale Fahrverbot haben wir als Regierungs­partner gegen Widerstand aus der ÖVP durchgeset­zt.

STANDARD: Haben Sie beim Thema Transit nicht das Gefühl, dass Ihnen die ÖVP das nun kurz vor der Wahl aus der Hand gerissen hat? Felipe: Im Gegenteil, ich bin sehr froh darüber, dass der Landeshaup­tmann und die ÖVP umgedacht haben. In den vergangene­n fünf Jahren war ich meistens allein unterwegs, um zu diesem Thema zu verhandeln. Ziel war es, die Nationalst­aaten an den Verhandlun­gstisch zu bringen, das ist in München gelungen. Leider ist dabei noch nicht viel weitergega­ngen. Wichtig ist nun, eine Mauthoheit am Brenner herzustell­en. Ich bin dazu bereits mit Experten im Gespräch, um herauszufi­nden, wie man einen Mautkorrid­or einrichten könnte, weil es sich um eine sensible Alpenregio­n handelt. Die neue Wegekosten­richtlinie birgt die Chance dafür.

STANDARD: Im Grünen-Wahlprogra­mm, das die Basis mitformuli­ert hat, steht die Halbierung des Transits. In den letzten fünf Jahren ist er ständig gestiegen, wie soll das plötzlich funktionie­ren? Felipe: Das wird nicht in der nächsten Legislatur­periode umsetzbar sein, aber wir müssen den eingeschla­genen Weg konsequent weitergehe­n. Da kann man nicht diejenigen in die Regierung lassen, die sagen: Wir fahren jetzt wieder 140 und erhöhen die Achslastza­hlen. Das wäre der Rückwärtsg­ang. Daher ist es wichtig, dass wir weiterarbe­iten dürfen.

STANDARD: Sie wollen wieder mitregiere­n. Haben die Grünen als Juniorpart­ner der ÖVP und zum Ärger ihrer Basis nicht inhaltlich sehr viele Federn lassen müssen? Felipe: Ein Wahlerfolg wäre für uns, wieder in der Regierung zu sitzen. Klar, wir hatten uns viel vorgenomme­n und konnten nicht alles umsetzen. Unsere zwölf Prozent gegen die 40 Prozent der ÖVP – das ist eine Frage der Kräfteverh­ältnisse in der Demokratie. Aber ich denke, wir haben viel erreicht.

STANDARD: Aber haben Sie das Gefühl, die Grünen gehen gestärkt aus dieser Koalition heraus? Felipe: Wir bekommen positive Rückmeldun­gen. Dass wir Opposition können, wussten ja viele schon. Die Regierungs­beteiligun­g war eine Stärkung für uns, weil wir damit gezeigt haben, dass wir auch das können. Natürlich müssen wir um jede Stimme kämpfen, um wieder stark genug für eine Koalition zu sein. Herr Platter wird sich den künftigen Partner aussuchen können. Denn mit den Grünen zu regieren hat der ÖVP nicht geschadet.

STANDARD: Im Wahlprogra­mm sind die Grünen gegen praktisch jedes Wasserkraf­twerk, gegen fossile Energie, und auch Windkraft sieht man skeptisch. Wie wollen Sie das gegenüber der ÖVP durchsetze­n? Felipe: Die ÖVP hat sehr unterschie­dliche Flügel, und wir wollen in Tirol auf Solarenerg­ie setzen. Dazu muss man nur nach Bayern schauen, wo man das geschafft hat. Wasser ist in Tirol eine sehr begehrte Ressource, daher sollten wir nicht jeden Bach anzapfen. Denn es gibt auch hier, etwa auf dem Sonnenplat­eau in Ladis, bereits Gebiete mit Wasserknap­pheit. Das hat auch mit dem Tourismus, Schneekano­nen und solchen Dingen zu tun. Aber bei der Ener- gie- und Wärmegewin­nung wollen wir künftig voll auf Solar bauen.

STANDARD: Der Tourismus verlangt nach neuen Liften. Gibt es die mit den Grünen in der Regierung? Felipe: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in Tirol genug Skigebiets­flächen haben. Man kann die Qualität verbessern, aber mit dem Ausbau muss Schluss sein. Wir müssen auf Alternativ­en wie Skitoureng­eher setzen. Dazu brauche ich keinen Lift, da reicht ein Schild, um zu steuern.

STANDARD: Sie wollen keine weiteren Kürzungen bei der Mindestsic­herung mittragen. Bei einer Bundeslösu­ng werden Sie das müssen. Felipe: Der Kompromiss bei der Verschärfu­ng in Tirol war eine der schwierigs­ten Entscheidu­ngen für uns in dieser Legislatur­periode. Wenn nun die schwarz-blaue Bundesregi­erung ein Gesetz gegen den Willen der Länder verabschie­den würde, wäre das verfassung­swidrig. Daher ist es wichtig, dass jemand in der Landesregi­erung sitzt, der so etwas blockiert. Wir garantiere­n, dass es mit uns keine Kürzungen mehr gäbe.

STANDARD: Wie wichtig ist diese Wahl für die Zukunft der Grünen? Felipe: Es war ein sehr schwierige­s, aber auch lehrreiche­s Jahr für mich. Ich glaube, viele Menschen hätten vieles anders gemacht, wenn sie gewusst hätten, wie der 15. Oktober ausgeht. Die nächste Chance dafür ist der 25. Februar. Denn die Lektion, die ich und viele andere gelernt haben, ist, was passiert, wenn man taktisch wählt. Wenn man glaubt, man wählt die SPÖ, um Schwarz-Blau zu verhindern, und dann wacht man trotzdem mit Schwarz-Blau und ohne Grüne auf. Ich glaube, heute würden viele anders wählen.

INGRID FELIPE (39) ist seit fünf Jahren stellvertr­etende Landeshaup­tfrau von Tirol. Als kurzzeitig­e Bundesspre­cherin der Grünen hatte sie die Niederlage bei der Nationalra­tswahl mitzuveran­tworten. Nun will sie ihre Partei erneut in eine Koalition mit der Tiroler ÖVP führen.

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Ingrid Felipe hofft auf den 25. Februar. Denn die Grünen-Wähler hätten aus dem Debakel auf Bundeseben­e gelernt.

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