Israels Premier warnt Syrien und Iran vor Eskalation
Nach dem Abschuss eines F-16-Kampfflugzeugs der israelischen Luftwaffe in Syrien droht eine Konfrontation zwischen Israel und dem Iran. Während Russland alle Seiten zur Zurückhaltung mahnt, stellen sich die USA hinter Israel und drohen Teheran.
Damaskus/Jerusalem/Teheran – Nach den jüngsten Vorfällen an der Nordgrenze Israels hat Premier Benjamin Netanjahu das Nachbarland Syrien und den mit ihm verbündeten Iran vor einer weiteren Konfrontation gewarnt. „Wir haben klare rote Linien gezogen“, sagte Netanjahu laut Medienberichten bei einer Kabinettssitzung am Sonntag. Israel werde weiter entsprechend vorgehen. Er betonte allerdings auch ausdrücklich, weiter an Frieden interessiert zu sein. Erstmals seit 1982 hatte die israelische Luftwaffe einen Kampfjet verloren, er zerschellte nach Beschuss der syrischen Luftabwehr nahe der Ortschaft Harduf im Norden Israels. (red)
Während in den Straßen von Damaskus Anhänger des Regimes von Präsident Bashar al-Assad die Nachricht vom Abschuss eines israelischen Kampfflugzeugs feierten, verlor dessen wichtigster Verbündeter in der Region am Sonntag kein Wort darüber.
Zwar pries Irans Präsident Hassan Rohani in seiner Rede zum 39. Jahrestag der sogenannten Islamischen Revolution die Anstrengungen seines Landes, der „Spaltung“Syriens durch die USA und Israel entgegenzuwirken – den mutmaßlichen Treffer durch die syrische Luftabwehr ließ er aber unkommentiert.
So angespannt die Situation am Wochenende militärisch auch war, so demonstrativ war die israelische Regierung darum bemüht, den Konflikt an seiner Nordgrenze rhetorisch einzudämmen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte am Samstag die Regierungen Syriens und des Iran zwar vor jeglicher Eskalation und sagte, Israel wende sich gegen jeden Versuch des Iran, sich militärisch „in Syrien oder irgendwo sonst zu verankern“– gleichzeitig betonte er im Beisein von Generalstabschef Gadi Eisenkot und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman aber, dass sein Land vor allem an Frieden interessiert sei.
Telefonat mit Putin
In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe Netanjahu zudem vereinbart, die militärische Koordinierung mit Russland – ebenso wie der Iran ein Unterstützer des Assad-Regimes – weiterlaufen zu lassen. Am Sonntag bestellte Netanyahu das Sicherheitskabinett in Tel Aviv ein, um über ein weiteres Vorgehen zu beraten.
Das russische Außenministerium rief unterdessen „alle Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und jegliche Aktion zu vermeiden, die zu einer noch größeren Komplizierung der Lage führen könnten“. Die Souveränität und die territoriale Integrität aller Länder der Region müssten respektiert werden.
„Wir unterstützen entschieden Israels souveränes Recht auf Selbstverteidigung“, erklärte hingegen eine Sprecherin des USAußenministeriums in Washington. Die USA würden sich weiterhin den „unheilvollen Aktivitäten des Iran in der Region“entgegenstellen.
Ihren Ausgang hatte die Eskalation an der Nordgrenze Israels aus der Sicht Jerusalems genommen, als eine iranische Drohne am Samstag von Syrien aus nahe der Stadt Bet Shean in den israelischen Luftraum eingedrungen und von einem Armeehubschrauber abgefangen worden war. Ein Verband von mindestens acht Kampfjets habe als Reaktion darauf ein Dutzend syrische und iranische Ziele im südwestlichen Umland von Damaskus und im Osten der Provinz Homs bombardiert – darunter die Luftwaffenbasis T4 nahe der Stadt Palmyra und das, laut Israel, „iranische Kontrollsystem“in Syrien, von wo aus die Drohne gestartet sein soll.
Erster Verlust seit 1982
Von „massivem Beschuss“der syrischen Flugabwehr getroffen, stürzte eines der F-16-Flugzeuge wenig später in der Jesreelebene nahe der Hafenstadt Haifa ab. Es war der erste Abschuss eines israelischen Kampfflugzeugs seit 1982. Die beiden Piloten konnten sich per Schleudersitz retten, einer von ihnen wurde schwer verletzt.
Während weiterer israelischer Angriffswellen wurden erneut Luftabwehrraketen von Syrien aus Richtung Israel gefeuert, die im Norden des Landes Sirenenalarm auslösten, so ein Armeesprecher. Der Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv war am Samstagmorgen kurzfristig gesperrt. In der Nacht zum Sonntag blieb es hingegen weitgehend ruhig.
Dass überhaupt eine Drohne die Grenze zu Israel überflogen habe, bezeichneten die vom Iran unterstützten Milizen in Syrien als Lüge: Die Fluggeräte würden lediglich zu Routineflügen gegen die Terrormiliz IS eingesetzt. Das staatliche iranische Fernsehen wies die israelischen Darstellungen als „lächerlich“zurück. Die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon ihrerseits sprach nach dem Abschuss von einer „neuen strategischen Phase“. Die Lufthoheit Israels in der Region sei gebrochen. (flon)
Der Schlagabtausch zwischen Israel und Syrien – als Stellvertreter des Iran – hat gezeigt, wie schnell sich im Nahen Osten theoretische Szenarien in harte Realität wandeln können: Seit Monaten beschreiben Analysten die Möglichkeit eines neuen Kriegs, in dem Israel die iranische Präsenz beziehungsweise jene der von Teheran gesteuerten Gruppen an der syrischen Grenze zu Israel zurückzurollen versuchen würde.
Dieser Krieg gilt als von manchen antiiranischen arabischen Akteuren geradezu erwünscht: Aber trotz der strategischen Interessengemeinschaft mit den neuen arabischen Freunden war gerade das ein Grund mehr für das israelische Sicherheitsestablishment, sich die Sache kühl anzusehen und die Folgen abzuwägen. Fazit: Israel will diesen Krieg nicht. Spätestens dann, wenn Hisbollah-Raketen auf israelische Städte regnen, könnte er nur mehr schwer „begrenzt“werden. Das aktuelle Schlaglicht auf die Verwundbarkeit Israels – der Verlust des ersten Kampfjets seit 1982 – wird diese D Position eher bestärken. er libanesischen Hisbollah, durch den erfolgreichen Krieg an der Seite des Assad-Regimes hochgerüstet und mit Gefechtserfahrung ausgestattet, galt stets die Hauptsorge Israels. Die jüngste Eskalation brachte jedoch die eigentlichen Gegner – Israel und Iran – direkt in Konfrontation: Der Auslöser war laut Israel und den USA eine iranische Drohne, und der israelische Folgeangriff galt einer iranischen Einrichtung in Syrien. Bisher galt bei jedem der über die Jahre zahlreich gewordenen israelischen Angriffe in Syrien – wie jenem am vergangenen Dienstag –, dass nur eine kosmetische Antwort zu erwarten war. Das war diesmal anders. Und der israelische Kampfjet am Boden macht mehr publizistischen Eindruck als alle Folgeschläge Israels in Syrien, deren Wirkung man erst nach und nach erfahren wird.
Die Reaktionen Syriens und des Irans waren vorhersagbar – das Dementi Teherans, wo die Drohnengeschichte als „lächerlich“bezeichnet wurde, zeigt, dass auch dort in einem ersten Moment eher Schadensbegrenzung betrieben wird. Der Libanon erinnerte indes daran, dass israelische Angriffe auf Syrien oft vom libanesischen Luftraum ausgehen, so auch vorige Woche. Auch das war nach der Rede von Premier Benjamin Netanjahu, der die Verteidigung der israelischen Souveränität in den Mittelpunkt stellte, aufgelegt. In Israel wird man indes mit Interesse die arabischen Medien durchforsten, wer wo wie viel Gewicht darauf legt, dass der Golan ja von Israel „besetzt“sei.
Eine negative Überraschung dürfte hingegen in Israel die russische Reaktion gewesen sein: Die Stellungnahme Moskaus am Samstag bezog die Gefahr, die von den israelischen Luftangriffen ausgeht, direkt auf die in Syrien präsenten Russen – die mit Einladung der syrischen Regierung dort seien, wie betont wurde. Impliziter Nachsatz: Was man von den USA oder auch der Türkei nicht sagen könne.
Für Netanjahu ist es seit längerem ein politisches Problem, dass Präsident Wladimir Putin sich die israelischen Klagen zur iranischen Ausbreitung in Syrien freundlich anhört – und es dabei bewenden lässt. Umso frustrierender ist es, dass Moskau dennoch auch bei der Eindämmung der aktuellen Eskalation eine unverzichtbare Rolle spielt. Die Anmerkung, dass das für Washington nicht gilt, wird schön langsam zum Ceterum censeo. Das muss für Israel beunruhigend sein.