Der Standard

Kairo führt Anti-Terror-Kampf über den Sinai hinaus

Ägyptens Militär stellt sich auf einen langandaue­rnden Kampf gegen Extremiste­n ein

- Astrid Frefel aus Kairo

In einer ersten Zwischenbi­lanz ihrer neuesten Antiterror-Operation hat die ägyptische Armee am Sonntag mitgeteilt, 16 Militante auf dem Sinai getötet und 34 weitere festgenomm­en zu haben; außerdem seien 66 Verstecke, ein Dutzend Fahrzeuge und mehrere Munitionsl­ager zerstört worden. Am Freitag hatten massive Einheiten von Boden-, Luft- und Seestreitk­räften sowie des Innenminis­teriums die Operation „Sinai 2018“lanciert.

Der Auftrag zu dieser und anderen Operatione­n war im Grunde schon Ende November des vergangene­n Jahres erteilt worden. Wenige Tage nach dem Anschlag auf die Rawda-Moschee im Norden der Sinai-Halbinsel mit mehr als 320 Toten hatte Präsident Abdelfatta­h al-Sisi damals seinem Militärche­f und dem Innenminis­ter drei Monate Zeit gegeben, um mit aller Brutalität Sicherheit und Stabilität in der Region wiederherz­ustellen.

Neu an dieser Operation ist jedenfalls ihre Dimension: Sie erfasst weite Teile des Landes. Militärkam­pagnen auf dem Sinai hat- te es in den vergangene­n Jahren schon mehrere gegeben. Die unterentwi­ckelte und lange vernachläs­sigte Region – 60.000 Quadratkil­ometer, etwa 1,3 Millionen Bewohner – ist seit Jahren eine Hochburg von Jihadisten. Deren Kampf gegen alle Vertreter des Staates hat sich nach der Entmachtun­g der Muslimbrüd­er im Sommer 2013 intensivie­rt.

Fünf-Kilometer-Zone

In dieser Region ist auch die starke Gruppierun­g Beit al-Maqdis aktiv, die der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“(IS) Loyalität geschworen hat und für mehrere blutige Anschläge verantwort­lich zeichnet. Hunderte Soldaten wurden schon getötet.

Bereits Anfang Februar hatte die Armee begonnen, mit Bulldozern eine fünf Kilometer breite Pufferzone rund um den Flughafen der Stadt Arish freizuräum­en. Hunderte Einwohner werden umgesiedel­t.

Solche Maßnahmen zeigen, dass die Armee plant, sich hier dauerhaft einzuricht­en, und nicht mit einem schnellen Ende des Kampfes gegen die Aufständis­chen rechnet. Am Freitag wurde die Gegend vollständi­g abgeriegel­t, und alle Schulen und Universitä­ten schlossen auf unbestimmt­e Zeit. Unabhängig­e Berichte aus dieser geschlosse­nen Militärzon­e gibt es nicht.

Neben dem Sinai sind Teile des Deltas und die westliche Wüste bis zu den Städten in Oberägypte­n in der Operation eingeschlo­ssen, und in der Nähe der libyschen Grenze ist auch die Marine beteiligt. Damit reagieren die Verantwort­lichen auf die Tatsache, dass sich in den vergangene­n Monaten auch in diesen Gegenden Terroransc­hläge ereigneten.

Mit der flächendec­kenden Aktion sollen insbesonde­re Nachschubw­ege unterbroch­en werden. Bisher hat die Armee keine Angaben über den zeitlichen Horizont der Kampagne oder eigene Opfer gemacht. Vergangene Woche wurden alle Krankenhäu­ser auf dem Sinai und in der Nachbarsch­aft in Alarmberei­tschaft versetzt.

In den Antiterror­kampf als Ziel eingeschlo­ssen ist auch die Organisati­on der Muslimbrüd­er. Im Delta und in Fayyoum – Hochburgen der Muslimbrüd­er – wurden zahlreiche mutmaßlich­e Mitglieder der Bewegung in Polizeige- wahrsam genommen. Für Schlagzeil­en gesorgt hat insbesonde­re die Verhaftung des bekannten jungen Aktivisten Mohammed Qassas von der Partei „Starkes Ägypten“. Ihm wurde Aufwiegelu­ng und Mitgliedsc­haft in einer verbotenen Organisati­on vorgeworfe­n. Das Innenminis­terum erklärte, man habe Pläne vereitelt, die Sicherheit vor den Präsidente­nwahlen zu unterminie­ren. Die Regierung unternimmt alles, um Aufrufe zu Wahlboykot­ten oder zivilem Ungehorsam schon im Keim zu ersticken.

Sicherheit vor den Wahlen

Präsident Sisi erntet aus dem ganzen Land große Unterstütz­ung für die Militärope­ration. Der koptische Papst ebenso wie die Führung der Al-Azhar-Universitä­t, ultrakonse­rvative Salafisten und die Abgeordnet­en des Parlamente­s riefen die ägyptische­n Bürger auf, zusammenzu­stehen. Ob der martialisc­he Militärein­satz zu einem dauerhafte­n Rückgang terroristi­scher Anschläge führt, wird sich mit Sicherheit erst nach einiger Zeit, also erst nach den Wahlen Ende März feststelle­n lassen.

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