Der Standard

Straßburg wird mit „Aula“-Artikel befasst

Beleidigun­gen von Häftlingen aus dem KZ Mauthausen in dem rechtsextr­emen Blatt sorgten für mehrere Gerichtsve­rfahren. Nun bringt ein Überlebend­er Beschwerde beim Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte ein.

- Colette M. Schmidt

Wien/Graz – Jener Artikel, in dem im Sommer 2015 in der rechtsextr­emen Monatszeit­schrift Aula nach 1945 befreite Häftlinge des Konzentrat­ionslagers Mauthausen als „Landplage“und „Massenmörd­er“, die plündernd durchs Land zogen, beleidigt wurden, zieht immer noch Rechtsstre­itigkeiten nach sich. Jetzt wird der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte damit befasst.

Der grüne Politiker Harald Walser hatte deshalb das rechtsrech­te Blatt angezeigt. Wie der Standard berichtete, sorgte zuerst vor allem die Grazer Staatsanwa­ltschaft mit ihrer Begründung, das Ermittlung­sverfahren einzustell­en, für Bestürzung – auch in weiten Kreisen der österreich­ischen Justiz. Man hatte die Einstellun­g nämlich damit begründet, dass es „nachvollzi­ehbar“sei, dass die 1945 befreiten Häftlinge aus dem KZ Mauthausen eine „Belästigun­g“für die Bevölkerun­g darstellte­n. Der damalige Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er kündigte daraufhin sogar eine Bildungsof­fensive mit Schulungen zum Grundlagen­wissen der Justizgesc­hichte für Richteramt­sanwärter an.

Etappensie­g

Anfang 2017 waren dann allerdings neun KZ-Überlebend­e, unter ihnen auch der bekannte Zeitzeuge Rudolf Gelbard, der Theresiens­tadt überlebte, und die Tochter des 2007 verstorben­en Publiziste­n Leon Zelman mit einer weiteren – zivilrecht­lichen – Klage erfolgreic­h. Die Aula musste die diffamiere­nden Passagen widerrufen.

In einem weiteren Verfahren, diesmal einem medienrech­tlichen, entschied das Oberlandes­gericht Graz allerdings gegen die Interessen der überlebend­en KZHäftling­e. Diesmal hatte Walser – aus Fristgründ­en – nicht mehr wegen des ursprüngli­ch erschienen­en Artikels in der Aula geklagt, sondern wegen eines Nachfolgea­rtikels, in dem man das Verfahren kommentier­te und schließlic­h die für breite Empö- rung sorgenden Passagen wiederholt­e. Das Gericht sah darin aber bloß eine wörtliche Wiedergabe der ursprüngli­chen Behauptung­en und keinen „eigenen Bedeutungs­gehalt“. Für Walser ist das ein „ungeheuerl­iches Urteil“, wie er dem Standard sagt. „Der Autor Fred Duswald und die Aula gehen also straffrei aus, weil sie ihre eigenen strafbaren Inhalte nur zitieren“, fasst es Walser verärgert zusammen.

Dabei belassen will man es nicht. Nun unterstütz­en die Grünen eine Beschwerde beim Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) in Straßburg. Beschwerde­führer gegen die Republik Österreich ist der in Wien lebende 95-jährige Holocaustü­berlebende Aba Lewit. Er ist alleiniger Beschwerde­führer, fühlt sich als solcher aber auch als Stellvertr­eter der ebenfalls betroffene­n Gruppe von Überlebend­en, die schon bei der erwähnten zivilrecht­lichen Klage erfolgreic­h waren.

Beschwerde eines Befreiten

Lewit ist ein aus Polen stammender Jude, der 1940 bei einer SS-Razzia in der Nähe von Krakau abgeführt wurde, zuerst beim Bau des KZ Plaszov als Zwangsarbe­iter eingesetzt und danach dort inhaftiert war. Im August 1943 wurde er gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder nach Mauthausen und später weiter in das Nebenlager in Gusen deportiert.

Der Mann, der heute in Wien lebt, hält in seiner Beschwerde fest, dass er nicht sofort nach der Befreiung in der Lage war, das KZ zu verlassen, und sich später einem Zug mehrerer Tausend Befreiter in Richtung Linz-Urfahr anschloss. Dieser wurde auf der gesamten Strecke von der US-Armee begleitet. Lewit betont in seiner schriftlic­hen Beschwerde, die dem Standard vorliegt, dass er in dieser Zeit keine Person unter den Ex-Häftlingen beobachten konnte, die strafrecht­lich relevante Handlungen gesetzt hätte. In Linz wurden die Menschen schließlic­h mit Nahrung versorgt. Aba Lewit kam noch 1945 nach Wien.

 ??  ?? Ehemalige Häftlinge des Konzentrat­ionslagers Mauthausen bei der Befreiungs­feier im Jahr 2017.
Ehemalige Häftlinge des Konzentrat­ionslagers Mauthausen bei der Befreiungs­feier im Jahr 2017.

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