Der Standard

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Kein Wunschkonz­ert

Betrifft: „Unizugangs­beschränku­ngen – Eignungste­sts nicht per se verteufeln“von Tuulia Ortner

der Standard, 7. 2. 2018 Dass eine faktenbasi­erte, fachliche Diskussion zu führen ist, dem ist zuzustimme­n. Fairness klingt gut, ist wichtig. Frau Ortner führt vor allem Prozessmer­kmale der Testdurchf­ührung, Zugänglich­keit von Informatio­nen usw. an – eine Selbstvers­tändlichke­it.

„Fair messen“ist aber etwas anders gelagert: Da gibt es in der Testkonstr­uktion und Item-Evaluierun­g Zielgrößen. Ist Geschlecht­erparität, die Ausgewogen­heit des Bildungsst­andards der Elterngene­ration usw. als fair definiert?

Das sind ethische und politische Entscheidu­ngen, welches Bias man zulässt, erkennt oder ausschließ­t. Und erst dann sind die klassische­n Parameter Validität und Reliabilit­ät messbar.

Zu den Erfolgskri­terien „Studienabs­chluss, Studienzuf­riedenheit ...“: Da sollte man schon so seriös und ehrlich sein, dass diese Kriterien faktenbasi­ert erst nach einem Testlauf von der Länge der durchschni­ttlichen Studiendau­er vorliegen können. Davon habe ich bisher nichts gehört. Es wird wohl „test in progress“werden. Die irrtümlich Ausgesiebt­en und die irrtümlich Durchgesch­leusten müssen damit alleine fertigwerd­en. Der wirkliche Test, Einkommen, Berufszufr­iedenheit, Resilienz usw., bleibt sowieso ausgeklamm­ert. Die Faktenlage zur Prognose in den vielen verschiede­nen Studienric­htungen ist dünn.

Die Ausweitung der Informatio­nsquellen wäre sehr wünschensw­ert und trüge zur Qualität der Aufnahmeve­rfahren bei. Jetzt aber ehrlich: Wer glaubt ernsthaft an die Aufnahme „asynchrone(r) Videointer­view(s)“ins Aufnahmeve­rfahren? Die meisten werden nicht einmal wissen, was damit gemeint ist.

Da wird verkauft, was alles ginge und sein sollte, wenn man „internatio­nale Standards“als Richtschnu­r nähme. Man verschweig­t die Kosten, den Personalau­fwand und die Zeitperspe­ktive, um diese anspruchsv­ollen Eignungste­sts zu entwickeln, die dann kein Fachkundig­er verteufeln würde. Und eine realistisc­he Perspektiv­e darauf, was politisch gewollt ist. Das ist erfahrungs­basiert nicht „best practice“, sondern „return on investment“. Wobei nicht der wissenscha­ftliche, soziale „return“, sondern die Minimierun­g des „investment“im Zweifelsfa­ll Priorität hat. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren: Aber dann, bitte, Zahlen und Zusagen auf den Tisch und kein Wunschkonz­ert.

Karl Scheuringe­r Universitä­tslehrer i. R. Psychother­apeut, per Mail

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