Der Standard

KOPF DES TAGES

Der mächtige „Papa“aus dem Kreml

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Sergej Prichodko drängt sich nicht in den Vordergrun­d. Die Schlagzeil­en überlässt er lieber anderen, während er im Hintergrun­d die Fäden zieht. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass er – von einem Escort-Girl als „Papa“bezeichnet – ausgerechn­et mit einer pikanten Korruption­saffäre in den Medien landet. Papa soll er heißen, weil er schon so lange im Kreml ist.

Tatsächlic­h ist der 61Jährige eine Langzeitin­stitution in der russischen Führung. Der gelernte Diplomat überstand sogar den Wechsel von der Ära Boris Jelzin zu jener Wladimir Putins unbeschade­t. Zunächst in der tschechosl­owakischen Botschaft und dann auf verschiede­nen Positionen im Außenminis­terium tätig, wurde er 1997 zum Präsidente­nberater berufen. 15 Jahre lang machte Prichodko in der Präsidialv­erwaltung Außenpolit­ik.

In Russland ist es eben nicht die Regierung, sondern die Präsidialv­erwaltung, die die eigentlich­e Politik bestimmt; sie formuliert die Leitsätze, sie sagt, wo es langgeht. In der Außenpolit­ik bestimmte somit jahrelang Prichodko den Kurs. Nun scheint er allerdings vom rechten Kurs abgekommen zu sein. Dass durch das Geplauder einer Prostituie­rten bekannt wurde, dass Prichodko sich mit dem Oligar- chen Oleg Deripaska auf einer Luxusyacht in Norwegen vergnügte, ist an sich schon pikant. Dass sie in Gegenwart der Dame auch noch außenpolit­ische Dinge besprachen und über die USDiplomat­in Victoria Nuland redeten, wie aus Audiomitsc­hnitten hervorgeht, macht die Sache noch brisanter. Immerhin erhärtet sich dadurch der Verdacht, dass der Kreml über Deripaska und den von ihm bezahlten Paul Manafort ganz eng dran war am US-Wahlkampf.

Prichodko dürfte sich der drohenden Konsequenz­en bewusst sein. Womöglich auch deswegen verlor der Vater zweier Töchter gegen seine Gewohnheit die diplomatis­che Zurückhalt­ung, als die Affäre aufflog. Dem Opposition­ellen Alexej Nawalny, der die Geschichte enthüllte und zugleich auf millionens­chwere Immobilien des Langzeitbe­amten verwies, hätte er gerne „auf Mannesart geantworte­t“, gab Prichodko zu Protokoll, was in Russland so viel heißt, wie: Prügel.

Am Ende versprach er, sich im „Rahmen des Gesetzes“zu verhalten. Das muss nichts Gutes heißen, lautet doch ein russisches Sprichwort seit jeher: „Den Freunden alles, den Feinden das Gesetz.“In der ersten Reaktion verboten die Behörden schon einmal per Gesetz den Medien die Weiterverb­reitung des Skandals. André Ballin

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Foto: Reuters Sergej Prichodko ist in eine pikant-brisante Politaffär­e verstrickt.

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